0689 - Draculas Blutuhr
Kostüme so aussehen, als wären sie auf die Körper gemalt worden.
Eine schmissige Musik, ein harter Rhythmus dazwischen, Bewegung in einem Haus, denn nichts anderes war der Hintergrund dieses Bühnenbildes. Ein Haus für eine Party.
Und die Party fand statt.
Wild Love hieß der Titel. Und wild geliebt wurde schon. Da fielen sehr bald die ersten Hüllen, wechselten sich die Szenen ab. Mal erlebten die Zuschauer einen erotischen, einen aufreizenden Tanz, dann wiederum eine wilde Ekstase.
Man hatte alles hineingepackt, und die Tänzer gaben wirklich ihr Bestes.
Amelia war der Star. Ich konzentrierte mich nur auf sie. Längst hatte sie den roten Mantel ausgezogen. Darunter war sie zwar nicht nackt, aber viel fehlte nicht, denn gewisse Stellen des Körpers waren nur mit Strass besetzt, sonst nichts.
Selbst auf Leggings hatte sie verzichtet. Ich musste eingestehen, dass sie bis auf ein bleistiftdünnes Tanga-Höschen nichts am Leibe trug.
Sie bewegte sich wild, sie war einmalig, sie erhielt des Öfteren Beifall auf offener Szene. Nicht dass ich mir etwas einbildete, manchmal hatte ich das Gefühl, als wollte sie gerade mir beweisen, wie gut sie letztendlich war.
Die Frau glich manchmal einem Tornado, wenn sie über die Bühne wirbelte. Sie war einmalig, sie riss die anderen mit. Die Handlung des Stückes konnte man vergessen. Ich wusste nicht einmal, dass es sie überhaupt gab. Wichtig waren die Musik und die Tanzsequenzen, ansonsten existierte das übliche Spiel zwischen Liebe, Eifersucht und all den auftretenden Randerscheinungen.
Die Zuschauer waren begeistert. Sie gingen richtig mit, sie klatschten, sie bewegten sich auf ihren Sitzen, sie vollzogen den Rhythmus nach, pfiffen oder trampelten.
Was sich natürlich noch steigerte, als der Vorhang zur Pause fiel. Da erfüllten die Ovationen wie ein Orkan das Theater, da rauschte es gegen die Decke, da warfen die Wände die Echos zurück, und die standing ovations waren nicht gespielt oder einstudiert, sondern echt. Es hatte den Zuschauern gefallen.
Auch mir, das musste ich zugeben. Es konnte auch an dem immerwährenden Wechsel gelegen haben zwischen einer spritzigen Schau, Akrobatik und Erotik.
Ich stand ebenfalls auf. Um in die Garderobe zu gelangen, musste ich mich nach rechts wenden, denn dort befand sich die Tür. Noch konnte ich mich schlecht durch die Reihen wühlen, weil die stehenden Zuschauer sie versperrten und immer wieder klatschten.
Ich versuchte es trotzdem. Man nahm kaum Notiz von mir. Als ich das Ende der Sitzreihe erreicht hatte, verstummte auch der Beifall. Das Licht fiel vor dem Vorhang zusammen, die Bühne versank in der Finsternis.
Die Masse der Zuschauer drängten in das Foyer, wo kleine Happen und Getränke angeboten wurden. Ich aber nahm den Weg, den mir das Blumenmädchen gewiesen hatte, öffnete die schmale Seitentür und gelangte in eine Art Schalltunnel, denn die Stimmen der Akteure hallten mir entgegen.
Sie alle standen noch unter dem Druck ihrer Arbeit, sie waren aufgeregt, aufgeputscht, sie lachten, und schon nach wenigen Schritten befand ich mich inmitten des Wirrwarrs aus Akteuren und Helfern, die hinter der Bühne aktiv waren.
Ich blickte nicht durch. Keiner hatte Zeit für mich. Man rempelte mich an, man stieß mich zur Seite, man huschte an mir vorbei, eingehüllt in den Geruch der Schminke und von Parfümwolken begleitet.
Schließlich drückte ich mich gegen die raue Ziegelsteinwand und wartete ab, bis der große Trubel vorbei war.
Ein Feuerwehrmann hockte auf einem Klappstuhl und schaute teilnahmslos ins Leere.
Ich ging zu ihm und erkundigte mich nach Amelia Astors Garderobe.
»Was wollen Sie denn da?«
»Ich bin von ihr persönlich eingeladen worden.«
»Ach ja?«
»Bitte, wo kann ich sie finden?«
Er drehte sich nach rechts. »Gehen Sie da weiter. Direkt die zweite Tür auf der rechten Seite. Können Sie gar nicht verfehlen.«
»Danke.«
Nein, ich konnte die Tür nicht verfehlen, denn auf ihr standen die gleichen Buchstaben wie in dem alten Haus in Soho. Zweimal der Großbuchstabe A.
Es war ruhiger geworden. Wer jetzt noch sprach, tat es in den Garderoben. Amelia hatte eine eigene Garderobe, wie es sich eben für einen Star der Show gehörte.
Ich klopfte.
»Ja, kommen Sie herein.«
Die Tür ließ sich leicht öffnen. Ich betrat einen sehr kleinen Raum, der mich irgendwie faszinierte, denn die Beleuchtung und der Geruch gaben ihm eine Ausstrahlung, wie man sie eigentlich nur in einem Theater fand.
Da
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