069 - Ein gerissener Kerl
davon?«
Tony nahm den Diamanten und hielt ihn gegen seinen Ärmel.
»Eine Schönheit! Haben Sie eine neue Mine entdeckt?« fragte er mit einem schwachen Lächeln.
Sleser verneinte.
»Was ist der wert? Sie verstehen doch was davon.« Tony überlegte.
»Ungefähr eintausendundfünfzig Pfund«, schätzte er.
»Bis auf fünf Pfund richtig getroffen. Jetzt sagen Sie mir: Was wäre dieser Stein wert, wenn er gelb wäre oder häßliche Flecken hätte?«
In dieser Frage war Tony eine Autorität.
»Er würde ungefähr hundertfünfzig Pfund wert sein — und — Herrgott!« Er starrte seinen Gast an. »Gelbe Diamanten! Guelder hat welche seit Monaten aufgekauft, und ich begriff nicht, was im Spiel war. Das ist doch kein entfärbter Diamant! ... Ist das etwa die Entdeckung?«
Sleser nickte begeistert.
»Gestern abend noch«, erzählte er eindringlich, »war der Stein gelb. Ich sah ihn mit meinen eigenen Augen erbleichen. Darüber kann absolut kein Zweifel bestehen, lieber Braid. Der Mann hat eine Entdeckung gemacht, die den Diamantenmarkt umwälzen wird. Die gegenwärtigen Werte werden um fünfzig Prozent fallen. Begreifen Sie nicht, was das heißt? Nur ein Diamant unter sieben ist vollkommen weiß. Diese Erfindung macht alle Nieten zu Volltreffern. Sie erhöht die Ausbeute der Welt um das Sechs- oder Siebenfache.«
Tony drehte den Stein in seiner Hand um und um. Plötzlich legte er ihn nieder und holte ein Vergrößerungsglas. Belustigt beobachtete ihn Sleser.
»Den Mumpitz habe ich schon hinter mir. Ich hab' ihn unterm Mikroskop gehabt. Um zwei Uhr nachts habe ich die klügsten Leute von London aus den Betten geholt und mit ihnen eine gründliche Untersuchung vorgenommen. Er ist durch und durch weiß. Sie werden keinen Fehler daran entdecken. Übrigens hat man so etwas Ähnliches schon vorher gemacht. Sie wissen vielleicht, daß Gelehrte weiße Diamanten in rosa verwandelt haben. Warum sollte man nicht gelbe in weiße verwandeln können? Also, was werden Sie tun? Wenn Sie klug sind, verkaufen Sie Ihre letzte Diamantenaktie. Ich bitte Sie nur, das Geheimnis der Farbentziehung bis Mittag zu wahren. Bis dahin wird mein Bericht an die Presse fertig sein.«
Er wickelte den Stein wieder in seine Wattehülle und barg ihn in der Tasche.
»Das ist wohl alles«, meinte er, stand auf und reichte Braid die Hand.
»Jetzt sind wir quitt wegen der afrikanischen Transportaktien, die Sie mir abgenommen haben. Wenn Sie nicht vernünftig sind, werden Sie bares Geld für mich sein. Wenn Sie klug sind, werden Sie Geld aus mir herausschlagen. Ich werde dem Kimberley-Pack den heftigsten Tritt in den Hintern versetzen, den es je bekommen hat. Addio.«
Tony saß vor den Resten seines Frühstücks und dachte schneller und logischer, als er je in seinem Leben gedacht hatte. Sein Vermögen war zum größten Teil in der Diamantenindustrie angelegt. Ohne Frage bedeutete diese Erfindung Guelders die größte Gefahr, die je die Diamantenbörse bedroht hatte.
Er hatte seinen Freunden das halbe Versprechen gegeben, nicht zu verkaufen. Und ein halbes Versprechen Tony Braids war so gut wie die notarielle Erklärung eines anderen Mannes. Er wußte genau, wie der Markt auf die Nachricht reagieren würde, unvorbereitet, wie die Diamantenfinanzleute auf diese Enthüllung waren. Die Aktien würden eine Rekordtiefe erreichen. Er brauchte nur seinen Makler anzurufen und ihm den Auftrag zu geben, zu verkaufen, nicht nur die Papiere, die er wirklich besaß, sondern auch die, die er erst am Lieferungstermin kaufen würde, mit denen er im Handumdrehen eine halbe Million verdienen konnte. Er überlegte scharf und sah dabei doch im Unterbewußtsein immer den würfelförmigen Diamanten blinken und schimmern.
Der Kaffee wurde kalt. Er bestellte eine neue Kanne. Ehe sie serviert wurde, rief er den ersten Diamantenmann an.
»Mir scheint, Sie müssen sich auf einen großen Sturz heute morgen gefaßt machen. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Können Sie mir einen Grund angeben?« fragte der Mann am anderen Ende des Drahtes.
»Nein. Ich bin zum Schweigen verpflichtet. Ich persönlich verkaufe nicht, sondern kaufe. Wahrscheinlich ist es eine Wahnsinnstat, aber ich will den Markt stützen und brauche Ihre Hilfe. Vielleicht fehlt mir eine halbe Million. Ich habe unerschlossene Platinfelder im Norden Transvaals, die soviel wert sind. Wollen Sie mir die mit einer halben Million beleihen?«
»Um den Markt zu stützen, ja. Sagen Sie Ihrem Bankier, er soll sich
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