069 - Ein gerissener Kerl
daß Ihr Holländer Lady Frensham lästig fällt?«
Offenbar wußte Julian es nicht, denn sein Ausdruck wechselte rasch.
»Was meinen Sie damit?«
»Ich meine damit, daß er heute nacht Lady Frensham anrief und ihr einen Heiratsantrag machte. Vielleicht war er betrunken oder von seiner neuen Entdeckung berauscht .« Es entging ihm nicht, daß Julian erschreckt auffuhr. »Ich weiß davon. Jawohl. Sleser besuchte mich heute früh. Ich werde von der Mitteilung aber erst nach der Veröffentlichung in den Zeitungen Gebrauch machen.«
»Er hat Ursula angerufen?«
»Sie meinen Lady Frensham? Ja, und ihr einen Heiratsantrag gemacht. Wußten Sie etwas über seine zärtlichen Gefühle?«
Julian schlug die Augen nieder.
»Nein«, sagte er verbissen. »Jedenfalls können Sie mir nicht zumuten, Guelder außerhalb des Geschäfts zu überwachen.«
Tony war Menschenkenner genug, zu erkennen, daß die Nachricht Reef in die Glieder gefahren war.
»Was sagt Ursula dazu?« fragte Reef, ohne den Blick zu heben.
»Lady Frensham fühlt sich natürlich nicht gerade geschmeichelt. Ich wollte Guelder sprechen und ihm sagen, daß ich ihn braun und blau schlage, wenn das noch einmal vorkommt. Dasselbe, Julian Reef, gilt für fahrende Schützen, die mich in frühen Morgenstunden als Zielscheibe benutzen.«
Julian wollte etwas entgegnen, doch Tony fuhr fort:
»Es wird Sie auch interessieren, daß Ihr Freund, mein Kammerdiener, geflogen ist. Doch das wissen Sie sicher schon. Er wird Ihnen seine Meldung erstattet haben. Wenn Sie sich so lebhaft für die Vorgänge in meinem Haus interessieren, werde ich täglich zweimal ein Bulletin herausgeben und Ihnen zustellen lassen.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, entgegnete Julian patzig. »Ich glaube, Sie sind nicht ganz normal. Also Guelder ist nicht da. Kommen Sie wieder, und zanken Sie sich mit ihm, wenn er da ist ... Sie verkaufen wohl heftig Diamanten. Sie müßten nicht Sie sein, wenn Sie es nicht täten. Es war eine große Dummheit von Sleser, Ihnen die Erfindung zu verraten.«
»Ich werde nicht verfehlen, ihm das auszurichten«, versicherte Tony.
Julians entsetzter Blick verriet ihm den großen Respekt, den er vor dem mächtigen Börsenmann hatte.
Als er hinausging, kam der Angestellte herein, und Braid hörte Julian äußern:
»Sagen Sie ihm, er soll morgen wiederkommen — ich wünsche heute niemanden zu sprechen.«
Die Botschaft wurde dem Mann im Wartezimmer übermittelt.
»Mein Gott! Mein Gott!« stöhnte er und raffte seinen Schirm und seine braune Reisetasche auf. »Was soll ich bloß anfangen! — Ihre Durchlaucht wird es mir nie verzeihen!«
Tony hatte Mitleid mit dem Alten. Er öffnete ihm die Tür und ging mit ihm die Treppe hinunter.
»Ein Unglück!« stammelte der Herr aus Troubridge. Er mußte jemandem sein Herz ausschütten. »All die langen Jahre, die ich im Geschäft bin, ist mir noch nie so etwas passiert. Wenn ich Mr. Guelder nur fünf Minuten sprechen könnte .«
»Ich müßte Mr. Guelder auch nur fünf Minuten sprechen«, sagte Tony grimmig. Der Kummer des alten Mannes rührte Tony, und er fragte: »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Mr. Samer schüttelte den Kopf.
»Ich fürchte, nein. Sehen Sie, als ich Mr. Guelder den Diamanten verkaufte, handelte ich im besten Glauben. Ich hatte den schrecklichen Irrtum, den mein Gehilfe beging, nicht bemerkt.«
Tony war im Nu lebendigste Aufmerksamkeit.
»Kommen Sie mit in meinen Klub! Vielleicht kann ich Ihnen doch helfen.«
Mr. Samer stammelte unzusammenhängende Dankesworte und trottete neben Braid her.
Im Rauchzimmer des Klubs, das zu dieser Morgenstunde fast leer war, erzählte er seine Geschichte.
In der Nähe von Troubridge wohnte die Herzogin von Hanfield. Er, Samer, hatte ein großes Juwelengeschäft und führte ganz auserlesene Ware. Er und seine Vorfahren hatten für die Familie Ihrer Durchlaucht seit Hunderten von Jahren gearbeitet. Als sie ihm den Diamantring zum Umfassen schickte, hatte er den Stein sehr sorgfältig herausgelöst und ihn in seinen Tresor eingeschlossen. Dort lagen andere Steine zum Verkauf, und während er abwesend war, war sein Gehilfe (er sagte nicht: sein Sohn, doch Tony erriet, daß er das nur aus Familienstolz unterdrückte) von einem Herrn aus London besucht worden, der unbedingt einen würfelförmigen Diamanten kaufen wollte.
»Hallo!« unterbrach Tony heftig. »Können Sie mir das Gewicht sagen?«
»Zehn Karat«, gab der Juwelier erstaunt Bescheid, »und eine
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