0694 - Eine Falle für Merlin
so etwas wie einen elektrischen Schlag zu verpassen, wenn er sich wieder sehen ließ - aber dabei hatte sie nicht bedacht, dass er die ganze Zeit über anwesend gewesen war. Daher wirkte jene Magie nicht. Selbst wenn Merlin Caermardhin jetzt verließ und später zurückkehrte, würde er nichts spüren, weil Nicoles Magie dann nicht mehr ansprach. Sie wirkte nur, wenn er ankam, nicht wenn er abreiste und danach heimkehrte . Etwas, das die Unsterbliche nicht bedacht hatte.
Merlin hatte den Saal des Wissens aufgesucht. In der großen Bildkugel sah er, was Zamorra tat, aber er sah auch noch mehr.
Seltsamerweise waren die Gegenstände, die er benötigte, ausgerechnet jetzt aktiv. Sie forderten bereits Opfer.
Das Trinkgefäß, geformt aus einem Fragment des ›Kessels der Wiedergeburt‹, hatte bereits getötet…
Merlin entsann sich, dass er einst aus eben diesem Kelch getrunken hatte, als die drei Schwestern ihn bei sich aufgenommen hatten.
Es kommt nicht auf die Farbe an, auch nicht auf die Flüssigkeit. Was immer sich in diesem Kelch befindet - es belebt die Schwachen, und es tötet die Starken, hatte die alte Frau damals gesagt. Merlin war schwach gewesen, als er getrunken hatte. Dieser Sterbliche hingegen war stark…
Das hatte ihn getötet.
Der Kelch war also aktiv geworden.
Merlin musste damit rechnen, dass auch die beiden anderen Gegenstände aktiv wurden - die Mondharfe und die Querflöte. Und Yaga würde daher zwangsläufig auf sie aufmerksam werden.
Warum das so war, konnte Merlin nicht sagen. Er fand seine Erinnerungen blockiert.
Aber er sah, dass Zamorra Zeit verlor, Zeit durch Untätigkeit einfach verspielte.
Merlin musste befürchten, dass - Yaga die drei Gegenstände vor Zamorra fand.
Er musste sich irgendwie in Sicherheit bringen.
Denn die bittere Wahrheit erfasste er immer noch nicht.
***
Um nach Paris zu gelangen, gab es für Zamorra zwei Möglichkeiten -per Auto oder per Bahn. Er entschied sich für die Bahn. Von Lyon aus fuhr der TGV, und Lyon war über die Regenbogenblumen schnell zu erreichen.
Natürlich wollte Nicole es sich nicht nehmen lassen, mitzukommen. Ein Einkaufsbummel in den exklusivsten Boutiquen lockte… aber nur ein paar Minuten, bevor sie aufbrechen wollten, meldete sich das Telefon. François Brunot, der kahlköpfige und stets nach der neuesten Mode gekleidete Assistent des Mordkommission-Chefs Pierre Robin, war in der Leitung und berichtete von dem eigenartigen Vorfall in Lyon.
»Wir kümmern uns darum«, versprach Zamorra sofort. »Schicken Sie uns einen Wagen?«
Dann sah er Nicole an.
Die protestierte sofort. »Ich will nach Paris! Da kann ich…«
»An der Sorbonne herzlich wenig erreichen, weil man dich da allenfalls als meine Sekretärin kennt, und Informationen über Vart und den offenbar geklauten Kelch wirst du da kaum bekommen. Auch außerhalb der Uni kaum, während ich als Sorbonne-Dozent bekannt bin… also erledige ich das, und du übernimmst bitte Lyon und die Mumie!«
»Was habe ich mit eingemachten Ägypterkönigen zu schaffen? Du hast Brunot versprochen zu kommen, ich nicht! Also kannst auch du…«
Er verdrehte die Augen. »Lassen wir’s komplett«, sagte er. »Lassen wir Merlin seinen Kram allein machen.«
Seltsamerweise war es Nicole, die gerade jetzt widersprach, obgleich sie dem Zauberer sonst weit kritischer gegenüberstand als Zamorra. »Das können wir doch nicht machen, Chef! Nicht wirklich, meine ich…«
»Also wird es auch in Lyon Boutiquen geben«, sagte Zamorra.
»Aber Lyon ist tiefste Hinterwald-Provinz. Da gibt’s höchstens ein paar schlecht gegerbte Bärenfelle für die Mädels vom Furchen-Adel! Wer modisch in sein will, muss schon in Paris einkaufen!«
Er grinste sie an. »Da du die teuren Klamotten aus Paris aber sowieso höchstens zwei oder drei Male trägst, hätte ich eine viel bessere Idee. Kleide dich in Modekataloge…«
»Gute Idee!«, entfuhr es ihr spontan. »Wenn die nur nicht alle so groß wären… die verdecken zu viel von meiner Schönheit.«
»Du kannst ja ersatzweise die Bestellkarten nehmen. Drei oder vier reichen sicher.«
»Die sind zu hart.«
»Du bist aber auch mit gar nichts zufrieden«, seufzte Zamorra.
Kurz darauf waren sie unterwegs nach Lyon.
Nicole, um sich der Mumie anzunehmen, Zamorra, um das keltische Trinkgefäß sicherzustellen.
***
Florence Dilon hatte sich bei ihrer Freundin Yvette eingehakt. Fröhlich über ein paar Jungs aus ihrem Bekanntenkreis lästernd, schleuderten die
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