0694 - Eine Falle für Merlin
Bahnhof bringen sollte, gefiel ihm überhaupt nicht.
»Bin ich ein Taxi?«, beschwerte er sich über Funk.
»Setzen Sie Zamorra am Bahnhof ab und fahren Sie mit Duval zu folgender Adresse…«, kam es zurück. »Ich erwarte Sie dort.«
»Das war doch Robin selbst?«, staunte Zamorra, der die Stimme des Chefinspektors erkannt hatte. »Sollte es einen weiteren dieser seltsamen Vorfälle gegeben haben, von denen Brunot sprach?«
Er bekam zunächst mal nichts davon mit; die Zeit war knapp und er schaffte es gerade noch, den TGV nach Paris zu erreichen. Während der Fahrt machte er sich seine Gedanken über die ganze Angelegenheit und legte sich einen Schlachtplan zurecht, wie er an jenes Trinkgefäß kommen könnte, das gewiss beschlagnahmt worden war, um es auf Giftspuren zu untersuchen.
Unterdessen traf Nicole an der angegebenen Adresse ein. Sie entdeckte einen weiteren Streifenwagen, ein Krankenfahrzeug, einen Leichenwagen und Robins Dienstfahrzeug. Brunot lotste Nicole durch die Absperrung.
»Es wird interessant, Mademoiselle Duval«, behauptete er. »Beim ersten Fall saß die Mumie am Lenkrad eines Unfallautos. Hier ist eine junge Frau einfach so zur Mumie geworden, von einem Augenblick zum anderen. Eine Yvette Custeau… der Mann hieß dem Ausweis in seiner Kleidung nach Jaques Vernon. Bisher haben wir nicht die geringste Verbindung zwischen beiden entdecken können. Das heißt zwar nicht, dass sie sich vielleicht doch kennen, aber…«
Nicole betrachtete die Mumie. Sie ähnelte verblüffend dem »Ötzi«, jenem Steinzeitmenschen aus den Alpen, der alle Jahre wieder zum Sensationsobjekt der Medien wurde.
»Vollständig dehydriert«, stellte Dr. Henri Renoir fest, der Polizeiarzt. Er rückte seine Rundglasbrille zurecht und fuhr sich durch das wirre Haar, ohne es glätten zu können. »Aber fragen Sie mich nicht, wie das passieren konnte, und kommen Sie mir nicht wieder mit irgendeinem Gefasel von Magie oder ähnlichem Unsinn.« Durchdringend sah er Nicole an, die ihn fast um Kopfeslänge überragte.
»Den Zeugenaussagen nach ist es jedenfalls innerhalb weniger Sekunden geschehen«, sagte Brunot. »Die Frau ist von einem Augenblick zum anderen regelrecht verdorrt und brach dann hier auf dem Gehsteig zusammen.«
Dr. Renoir wandte sich den beiden schwarz gekleideten Männern mit dem Zinksarg zu. »Ihr könnt sie einpacken.«
»Moment«, wandte Nicole ein. »Ein paar Minuten noch, bitte.«
Sie öffnete ihre Steppjacke und zog das Amulett unter der Bluse hervor, das sie mitgenommen hatte. Falls Zamorra es brauchte, konnte er es jederzeit mit einem Gedankenbefehl zu sich in den Zug oder nach Paris rufen , aber bis er sein Ziel erreichte, benötigte es zunächst mal Nicole.
Sie aktivierte die handtellergroße Silberscheibe mit den eigenartigen Verzierungen. Dann kauerte sie sich über die mumifizierte Tote und bewegte das Amulett mehrmals dicht über dem Körper hin und her. Der Polizeiarzt verdrehte die Augen, winkte ab und entfernte sich.
Das Amulett vibrierte schwach in Nicoles Hand, aber auf eine Weise, wie sie es noch nie gefühlt hatte. Das war keine Warnung vor Schwarzer Magie, sondern der Hinweis auf etwas anderes…
Irgendwie schien es mit der Magie des Amuletts verwandt zu sein, und doch war es anders - das, was von der Toten ausging. Und: es verblasste schnell! Noch vor ein paar Minuten musste es wesentlich stärker gewesen sein. Nicole ahnte, dass sie bereits in einer halben Stunde nichts mehr würde erspüren können.
»Wie lange ist sie schon tot?«, fragte sie.
»Eine Dreiviertelstunde vielleicht«, sagte Brunot. »Als der Kollege Sie am Stadtpark aufpickte, hatten wir gerade die Meldung bekommen. Ach - falls Sie den Chef suchen, der ist drüben am Krankenwagen und flirtet mit der Ex-Freundin der Toten.«
Nicole sah ihn strafend an. Brunot zog die Brauen hoch, sagte aber nichts mehr.
Sie ging zum Fahrzeug hinüber. Unterdessen ordnete Brunot an: »Einbalsamieren und zur Pyramide bringen - äh, in Doktor Renoirs Totenreich.«
Einer der Leichenträger tippte sich an die Stirn. »Der spinnt, der Bulle«, murmelte er.
Unterdessen hatte Nicole den Krankenwagen erreicht. Pierre Robin, wie immer leicht zerknittert wirkend, nickte ihr grüßend zu. »Nicole Duval - Florence Dilon. Mademoiselle Duval ist Spezialistin für diese Dinge. Vielleicht können wir ihr erzählen, was passiert ist, damit sie ihre Schlüsse daraus zieht?«
Nicole lächelte. »Nur, wenn es Ihnen nichts ausmacht, die ganze
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