0695 - Blut an bleichen Lippen
Stille zwischen den Messen nutzte und sich betend in das Gotteshaus zurückgezogen hatte.
Aber auch da wurde Suko enttäuscht. Ihn umfing eine schwammige Kühle, und dabei blieb es.
Er schaute auf die leeren Bankreihen. Am Altar flackerten einige Kerzenflammen, das war auch alles.
Suko preßte die Lippen zusammen. Wäre er nicht in einer Kirche gewesen, hätte er geflucht, so aber gab er sich einzig und allein seinen Gedanken hin.
Er verließ das Gotteshaus wieder und ging zu seinem BMW, der nur ein paar Schritte entfernt parkte. Suko lehnte den Ellbogen des angewinkelten Armes auf das Dach und überlegte.
Wo mußte er hin?
Er sah kein Schild, das auf einen See hingewiesen hätte. Das Gewässer lag zu versteckt, und wer von den Einheimischen dorthin wollte, der fand den Weg.
Er setzte sich in den Wagen und hatte auch die Reifenspuren gesehen. Sie führten in eine bestimmte Richtung, wobei es nicht bei einem Spurenpaar blieb, denn es vereinigten sich mehrere. Suko blieb nichts anderes übrig, als dem Weg zu folgen. Und so rollte er sehr langsam in einen ausklingenden Tag hinein, dessen Licht ihm vorkam wie ein grauer, düsterer Schleier, der hin und wieder von einem grünen, blassen Tuch durchwoben war.
Er blieb auf einer schmalen Straße und achtete sehr sorgfältig auf die Umgebung.
Vielleicht stand doch irgendwo ein Schild, das auf den See hinwies. Aber Suko täuschte sich.
Nur die Straße lag wie ein schmaler, grauer Streifen vor ihm - und er sah auch die Abzweigung, die links von der Straße wegführte. Durch dichtes Gras zogen zwei Streifen, die Suko als Reifenspuren identifizierte und die ihm vorkamen wie eine plötzliche Erleuchtung.
Er stoppte.
Der See lag einsam. Wer ihn kannte, wußte, wie er zu gehen hatte, und Suko ging davon aus, daß zu einem derart versteckt liegenden Gewässer keine öffentliche Straße hinführte, sondern man sich mit einem schmalen Pfad zufrieden gab.
War er das?
Viel falsch machen konnte Suko nicht. Wenn er sein Ziel nicht erreichte, hatte er eben Pech gehabt.
Auf dem weichen Boden bewegten sich die beiden Vorderräder ziemlich schwerfällig, als Suko das Lenkrad drehte. Er spielte nur etwas mit dem Gas, dann rollte er in ein Weg ein.
Dicht wuchs er von zwei Seiten zu.
Der herannahende Abend hatte auch die Feuchtigkeit mitgebracht. Feine Dunstschleier wehten über den Pfad und krochen auch in das Unterholz zwischen den Bäumen. So wurde der Wall noch dichter und undurchdringlicher als sonst.
Der Wagen schwankte leicht über den unebenen Boden. Das war keine Strecke für einen BMW, hier hätte ein Jeep oder ein Geländewagen besser gepaßt.
Suko merkte sehr wohl, daß ihm die Zeit im Nacken saß. Irgend etwas trieb ihn an. Es war wohl sein Gefühl und auch die Angst davor, zu spät zu kommen.
Der Wagen schwankte, manchmal schwamm er auch, er bewegte sich, er rollte weiter, auf ein gewisses Licht oder auf einem breiteren, helleren Fleck zu, der das Ende des Tunnels markierte.
Dahinter noch bewegte sich etwas, als hätte jemand eine große Leinwand aufgebaut, auf der ein Film lief, der nur verschwommene Szenen zeigte.
Für Suko stand fest, daß er den See gefunden hatte. Er lag hinter dem helleren Streifen, versteckt, verwunschen wie ein See aus dem Märchen, aus dem jeden Augenblick eine Prinzessin zusammen mit einem als Frosch verzauberten Prinzen steigen konnte.
So nett und märchenhaftharmlos würde es wohl nicht werden, denn Suko rechnete mit einer verdammt harten Auseinandersetzung - und bekam große Augen, als er das Ende des Weges erreicht hatte, denn als er nach rechts schaute, sah er den Rover.
Und der gehörte John Sinclair!
Er hier?
Suko stoppte, wartete noch einen Moment, bevor er aus dem Wagen stieg und die Umgebung absuchte, aber von dem Geisterjäger keine Spur mehr sah.
John war weg…
Suko spürte das Kribbeln. Er schaute nach vorn, wo sich nahe des Ufers eine leichte Dunstwand aufgebaut hatte, die aus dem Schilfgürtel hervorquoll.
Sie nahm Suko die Sicht auf den See, der ihn überraschte, weil er nicht so ruhig lag, wie er es sich vorgestellt hätte. Er war in eine gewisse Unruhe hineingeraten, er brodelte, er warf Wellen, die auch an das Ufer zurückkehrten, sich durch den Schilfgürtel wühlten und diese große Wand ins Schwanken brachte.
Und noch etwas irritierte ihn.
Auf dem Weg tobte ein Sturm.
Er hörte die unheimlichen Geräusche, das Heulen und Klagen des Windes, als hätten sich zahlreiche Seelen zusammengefunden, um ihr
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