0695 - Hexentod
diese Knaben mit ihren einmalig schönen Körpern durch die Luft springen… und gleich wird einer danebengreifen, wird sterben… ah, ich genieße es…«
»Nicht nur die schönen Körper der Knaben, auch die der Mädchen sind ansehnlich«, sagte die dritte Hexe; ihre Zungenspitze glitt leicht über ihre Lippen. »Aber von ihnen greift bei diesem Tanz niemand fehl… Schade ist es, dass es diesen wundervollen Tanz in der heutigen Zeit nicht mehr gibt, dass er mit dem Reich der Kreter unterging. Wie schön wäre es, wieder eine der Tänzerinnen zu verführen und später zu genießen, wie ihre Seele den wundervollen Körper verlässt…«
»Und die Schlangen waren auch schon bissiger«, murrte die erste Hexe. »Kein Wunder, dass jener Brauch in Vergessenheit geriet. Zu wenig Tod angesichts der vollkommenen Schönheit…«
»Diesmal wird es Tod geben. Die Schicksalsfäden des Teppichs zeigten es uns, und sie zeigten auch Yaga, was sie zu tun hat. Sie muss ihren Weg gehen und sterben, um an ihr Ziel zu gelangen, ihre Tochter zu finden…«
»Ihre Tochter«, lachten die beiden anderen. »Ihre Tochter, die sie nie am richtigen Ort suchte… und jetzt wird sie sie finden!«
»Ihre Tochter«, murmelte auch die dritte Hexe, und sie dachte dabei nicht an das Kind, das in der Höhle ruhig schlief und nicht ahnte, was sich außerhalb abspielte.
Denn die Tochter, die Yaga seit langer Zeit suchte, war ein ganz anderes Geschöpf als jenes kleine Wesen, gezeugt von einem Menschen in der Vergangenheit und geboren von der Hexe in der Gegenwart.
Und die Hexen beobachteten weiter das geisterhafte Geschehen in der gewitterigen Vollmondnacht.
***
Zamorra wusste, dass sie es war, obgleich sie längst nicht mehr dem alten Hutzelweib glich, als das er sie einst kennen gelernt hatte. Jene alte Vettel, die auf ihrem Ofen auf Hühnerbeinen ritt und Tod und Verderben über die Menschen brachte.
Baba Yaga…
Als er ihr in Rußland erstmals begegnete, war er zum Gefangenen ihrer Hütte geworden. Sie hatte ihm ihr Fangeisen um den Hals geworden, hatte ihn miniaturisiert, und er begriff heute noch nicht richtig, wie er das alles hatte überleben können. Yaga wollte ihn töten, damals… [6]
Er war sicher, dass sie es auch heute noch liebend gern tun würde.
Aber sie durfte es nicht mehr.
Denn es war ihr Schicksal, von ihm getötet zu werden!
So, wie sie es einst mit Asmodis ausgehandelt hatte!
Damals, als er gerade im Begriff gewesen war, Zamorra zu ermorden! Da hatte Asmodis von ihr verlangt: »Jetzt hast du die Wahl, Babuschka: Entweder du tötest Zamorra, dann wirst Du auf Deine Tochter verzichten müssen und leben. Oder du läßt ihn am Leben und bekommst dafür einen Hinweis darauf, wo sich deine Tochter aufhält, wirst aber von Zamorra getötet werden. Nun entscheide dich.«
Und sie hatte sich entschieden.
Für ihre Tochter…
Und Zamorra durfte weiterleben. [7]
Yaga war an diesen Handel gebunden. Und er selbst, Zamorra…?
Er sah sie als seine Feindin. Und nicht nur seine. Sie war skrupellos, wenn es um die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen ging. Sie tötete zum Vergnügen. Sie hatte Rasputin an den Zarenhof geholt, sie hatte dafür gesorgt, dass die Zarenfamile ausgelöscht wurde. Sie hatte selbst ganze Dörfer in der russischen Weite zerstört, hatte Menschen in Leid und Tod gestürzt.
Wenn es eine Chance gab, sie unschädlich zu machen, musste er sie ergreifen.
Ja, auch er fühlte sich an den Handel gebunden.
Und jetzt sah er sie vor sich.
Nicht die Alte von damals.
Sie hatte sich verjüngt.
Und in dieser Gestalt hatte er sie schon einmal gesehen und anfangs nicht erkannt! Vor noch gar nicht langer Zeit, als Merlin ihn und Nicole gezwungen hatte, in die Vergangenheit zu reisen. Sie sollten verhindern, dass Yaga der Puppenspielerin den schicksalhaften Wandteppich entwendete!
Es war ihnen nicht gelungen.
Denn nicht nur hatten sie Yaga, die bereits vor ihnen anwesend war, nicht rechtzeitig erkannt, sondern auch zu spät herausgefunden, wer die Puppenspielerin war.
So hatte Yaga jener den Teppich ahnehmen und mit diesem wieder in die Gegenwart zurückkehren können. Jene Yaga, die zuvor vom Wasser des Jungbrunnens in Merlins Zauberwald getrunken und sich im Licht des Vollmonds gebadet hatte…
Unmittelbar bevor Asmodis aus recht eigennützigen Motiven und Rachsucht Broceliande vernichtete… [8]
Zamorra starrte Yaga an, die sich damals ihre körperliche Jugend zurückgeholt hatte, ohne das geistige Alter
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