0699 - Das Erwachen der Hexe
auf keinen Fall unterschätzen.«
»Und wie wollen Sie diese Personen finden?«
Ich lächelte etwas verzerrt. »Es wird noch seine Zeit dauern, Tricia. Aber ich bin sicher, dass es mein Freund und Kollege geschafft hat, etwas mehr herauszufiltern.«
»Rufen Sie ihn doch an.«
»Das mache ich auch.«
Tricia blieb in ihrem Arbeitsraum, als ich in den schmalen Flur ging und zum zweiten Mal den Hörer in die Hand nahm. Leider war Sukos Anschluss noch besetzt.
Ich wartete und sah Tricia, die den Weg zum Bad nahm. Wenig später hörte ich den Wasserstrahl in ein Waschbecken rauschen.
So hell dieses Haus auch gebaut war, ich fühlte mich von fremden Kräften umzingelt. Da waren Schatten, die sich immer mehr zusammenzogen, und diese Schatten oder Kräfte wurden von einer Kraft befehligt, hinter die ich noch nicht gekommen war.
Ich dachte wieder an den Titel des Buches, auch an die Unterzeile und versuchte, beides auf einen Nenner zu bringen. Es musste einfach einen geben.
Mir schoss einiges durch den Kopf, doch an einem Punkt blieb ich immer hängen. Das war wie eine dicke Mauer, die ich nicht durchstoßen konnte.
Ein Name, eine grausame, eine gefährliche Bezeichnung.
Lilith!
Ja, sie war es. Sie war die Anführerin der Hexen, die erste Hure des Himmels, wie sie in einer Offenbarung bezeichnet wurde. Konnte sie hinter allem stecken? War sie die treibende Kraft, oder war es eine andere Person?
Ich wählte wieder.
Diesmal kam ich durch, und Suko hob auch sofort ab. »Ha, du bist es, John.«
»Hast du einen anderen erwartet?«
»Nein.«
»Was hast, du herausgefunden?«
»Dass es das Buch gibt.«
»Schön. Kannst du mir auch sagen, was ungefähr drinsteht?«
»Ich habe mit Sarah Goldwyn gesprochen, die sich den Schmöker ebenfalls kaufte. Sie wollte mir am Telefon einige Passagen vorlesen, nur war das nicht möglich, denn…«
»Es gab keinen Text«, vollendete ich.
Mein Freund schwieg verblüfft. Nach einer kurzen Pause stieß er die Luft schnaufend aus. Ein Windstoß schien durch die Leitung zu rauschen. Dann seine Worte: »Verdammt, John, du hast Recht.« Er räusperte sich. »Aber woher wusstest du, dass…?«
»Weil ich hier das gleiche Phänomen erlebt habe.«
»Und Sarah Goldwyn ebenfalls.«
»Was bedeutet das?«, fragte ich wie ein Oberlehrer.
»Dass wohl alle Bücher keinen Text mehr haben.«
»Sehr richtig.«
»Und das Fazit, John?«
Ich kratzte mich am Hinterkopf. »Das ist schwer zu sagen, Suko, verflucht schwer sogar. Da sind Kräfte am Werk, die all das zerstören, was sie einmal aufgebaut haben. Und zwar radikal. Man könnte beinahe zu der Annahme gelangen, dass sie es geschafft haben. Das heißt, sie haben die Bücher nicht mehr nötig, weil das eingetreten ist, was sie wollten.«
»Kannst du da genauer werden?«
»Leider nicht.«
»Und diese Tricia Bell?«
»Befindet sich meiner Ansicht nach in großer Gefahr.« Ich erzählte Suko, was mit den beiden Sittichen geschehen war, und fügte hinzu, dass ich davon ausging, von einer schwarzmagischen Kraft belauert zu werden.
Suko hakte sofort nach. »Hexenkraft?«
»Das kann schon sein. Ich gehe davon aus, obwohl ich keine hundertprozentigen Beweise habe.«
Ich wechselte den Hörer in die andere Hand. Zurück blieb ein Schweißfleck auf der Innenseite.
»Versuche etwas über die Schattenkirche zu erfahren, bleib aber im Büro. Du kannst es telefonisch machen. Es gibt da einen Sektenbeauftragten. Seinen Namen weiß ich leider nicht, aber der lässt sich leicht herausfinden.«
»Geht in Ordnung. Sonst noch was?«
»Weiß Jane Collins möglicherweise mehr?«
»Ich habe nicht mit ihr gesprochen, aber Sarah wird sie schon auf dem Laufenden gehalten haben.«
»Könnte sein, dass ich ihre Hilfe brauche wegen Tricia Bell. Sie muss in Sicherheit gebracht werden. Und zwar noch vor Einbruch der Dunkelheit. Ich könnte mir vorstellen, dass diese verfluchte Schattenkirche dann stärker wird.«
»Ich werde alles in die Wege leiten, John. Du bist auf alle Fälle unter der alten Telefonnummer zu erreichen?«
»Ja, bestimmt.«
»Dann drücke ich dir die Daumen.«
»Ebenfalls.«
Ich legte auf und blieb sekundenlang neben dem Apparat stehen. Noch war nicht viel passiert, abgesehen davon, dass es mir um die beiden Sittiche Leid tat. Ich ging inzwischen davon aus, dass uns die andere Seite eine Warnung geschickt hatte, die wir auf keinen Fall überhören sollten. Und der nächste Angriff würde härter sein, das stand für mich fest. Da musste
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