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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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mit zweien von ihnen, als Chris eingriff. Mit weißem Gesicht kam er in mein Zimmer. Er packte den einen Typ beim Haar, den anderen beim Arm. »Ihr seid fertig«, sagte er.
    »Schluß mit euch.« Und er stieß sie durch den Gang zur Küche. Einer von ihnen rief: »He, bist du nicht ein ziemlicher Heuchler, Chris?« Der andere jammerte.
    »Raus. Nehmt eure Sachen. Haut ab«, knurrte Chris.
    Nachdem er hinter ihnen die Tür zugeknallt und verriegelt hatte, kam er zu mir. Ich räkelte mich auf meinem Bett und zündete mir lässig eine Zigarette an, die Gleichgültigkeit in Person. »Spielverderber«, schmollte ich. Ich war nackt und machte keine Anstalten, meine Blöße zu bedecken.
    Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Er schien nicht zu atmen. »Zieh dir was an. Sofort.«
    »Aber warum denn? Willst du mich auch rausschmeißen?«
    »Fällt mir nicht im Traum ein, es dir so leichtzumachen.«
    Ich seufzte. »Was regst du dich auf? Wir haben uns nur ein bißchen amüsiert«
    »Nein«, sagte er. »Du wolltest mir eins auswischen.«
    Ich verdrehte die Augen und zog an meiner Zigarette.
    »Wenn du die ganze Einheit zerstörst, bist du dann zufrieden? Ist dir das dann Entschädigung genug?«
    »Entschädigung wofür?«
    »Daß ich nicht mit dir schlafen will. Ich hab nie das Verlangen gehabt, und das wird auch so bleiben, ganz gleich, mit wie vielen Idioten in London du rumvögelst. Warum kannst du das nicht akzeptieren? Warum kannst du's zwischen uns nicht so lassen, wie es ist? Und jetzt zieh dir endlich was an, verdammt noch mal.«
    »Wenn du nichts von mir willst und nie was haben wolltest und auch für die Zukunft nicht die Absicht hast, was von mir zu wollen, was interessiert's dich dann, ob ich was anhab oder nicht? Wird dir vielleicht heiß unterm Kragen?«
    Er ging zum Kleiderschrank und zog meinen Morgenrock heraus. Er warf ihn mir zu. »Ja, mir wird heiß unterm Kragen, aber nicht so, wie du's dir wünschst.«
    »Ich wünsche nicht«, erklärte ich. »Ich nehme mir, was ich will.«
    »Ach, diese Typen alle, die hast du dir genommen, weil du sie wolltest? Da kann ich nur lachen.«
    »Wenn ich einen seh, der mir gefällt, dann nehm ich ihn mir. Basta. Hast du damit vielleicht Probleme? Macht's dir was aus?«
    »Macht's dir nichts aus?«
    »Was?«
    »Zu lügen? Zu rationalisieren? Theater zu spielen? Mensch, Livie, komm. Schau dir endlich an, wer du wirklich bist. Schau endlich mal der Wahrheit ins Auge.« Er rief: »Beans, Toast, auf geht's«, und lief aus meinem Zimmer.
    Ich blieb; wo ich war, und haßte ihn.
    Schau dir endlich an, wer du bist. Schau endlich der Wahrheit ins Auge. Ich kann ihn jetzt noch hören. Und ich würde gern wissen, wie er selbst der Wahrheit ins Auge schaut, wenn er sich heimlich mit Amanda trifft.
    Er verstößt gegen die Regeln der Organisation genau wie ich damals. Welche Strategien hat er wohl entwickelt, um sich zu rechtfertigen? Ich bin nämlich sicher, er hat rationale Argumente en masse parat, um seine Beziehung zu Amanda zu rechtfertigen. Zum Beispiel: »Sie wird ja sowieso meine Frau« oder »Es ist eine Loyalitätsprüfung« oder »Es ist stärker als wir« oder »Sie braucht meinen Schutz« oder »Ich bin verführt worden« oder »Endlich bin ich der Frau begegnet, für die ich alles riskiere«; aber ganz bestimmt hat er sich irgendeine elegante Rechtfertigung ausgedacht, die er aus dem Hut ziehen wird, wenn die ARM-Leitung ihn zur Rechenschaft zieht.
    Ich höre mich wahrscheinlich zynisch an, so als hätte ich überhaupt kein Verständnis für seine Situation; bitter, rachsüchtig, ganz erpicht darauf, daß er mit heruntergelassener Hose ertappt wird. Aber ich bin nicht zynisch, und ich verspüre nichts von brodelnder moralischer Entrüstung, wenn ich an Chris und sie denke. Ich verspüre keinerlei Verlangen, Anschuldigungen vorzubringen. Ich finde nur, man sollte sich darüber im klaren sein, daß die meisten Menschen irgendwann einmal rationalisieren. Gibt es denn ein besseres Mittel, um sich der Verantwortung zu entziehen? Und es will doch niemand verantwortlich sein, jedenfalls nicht, wenn's brenzlig wird.
    Es geschieht zu seinem Besten, lautete Mutters Rechtfertigung. Nur ein kompletter Narr hätte ausgeschlagen, was sie Kenneth Fleming anbot: Celandine Cottage in Kent, Teilzeitbeschäftigung in der Druckerei in jenen Monaten, in denen Cricket gespielt wurde, und Vollzeitbeschäftigung im Winter. Alle möglichen Einwände, die Jean gegen den Plan hätte vorbringen

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