07 - Asche zu Asche
legte mich neben ihn, meinen Kopf auf seinem Kissen, mein Gesicht dem seinen nahe. Seine Lider fielen herab. Ich berührte sie mit meinen Fingern. Ich streichelte seine blonden Wimpern, seine pockennarbigen Wangen.
»Chris«, wiederholte ich.
Abgesehen davon, daß er die Augen geschlossen hatte, hatte er sich nicht bewegt. »Hm?«
»Nichts.«
Haben Sie je einen Menschen so heftig begehrt, daß Sie den Schmerz zwischen den Beinen spürten? So war es bei mir. Mein Herz schlug, wie es immer schlug. Mein Atem veränderte sich nicht. Aber ich war wund vor Schmerz. Das Verlangen nach ihm brannte wie ein glühender Ring, der sich in meinen Körper fraß.
Ich wußte, was ich tun mußte; wohin meine Hände legen, wie mich bewegen, wann seine Kleider öffnen und mich meiner eigenen entledigen. Ich wußte, wie ich ihn in Erregung versetzen konnte. Ich wußte genau, was er mögen würde. Ich wußte, wie ich ihn am besten vergessen machen konnte.
Olivia
Der Schmerz bohrte sich wie ein weißglühendes Eisen durch meinen Körper aufwärts. Ich besaß die Macht, den Schmerz auszulösen. Ich brauchte nur in die Vergangenheit zurückzukehren. Ein junger Schwan zu sein, der auf dem See schwamm, eine Wolke am Himmel, ein Reh im Wald, ein Pony, das frei im Wind des Dartmoor galoppierte. Irgend etwas zu sein, das mir erlaubte, ohne Gefühl zu handeln. Ich brauchte nur einige der hundert Dinge zu tun, die ich einst gleichgültig für Geld getan hatte, und mit Chris' Kapitulation würde der Schmerz sich auflösen.
Aber ich tat nichts. Ich lag auf seinem Bett und betrachtete ihn, wie er schlief. Und als der Schmerz durch meinen ganzen Körper bis in meinen Hals hinaufgestiegen war, hatte ich mir das Schlimmste über die Liebe eingestanden.
Zuerst haßte ich ihn. Ich haßte ihn, weil er mich soweit gebracht hatte. Ich haßte ihn, weil er mir die Frau gezeigt hatte, die auch in mir steckte.
Damals schwor ich mir, alles Gefühl zu ersticken, und ich begann damit, in dem ich es mit jedem Kerl trieb, der mir unter die Finger kam. Ich nahm sie mir in Autos, in leerstehenden Häusern, in U-Bahnhöfen, in Parks, in den Toiletten der Pubs und auf dem Hausboot. Ich ließ sie bellen wie die Hunde. Ich ließ sie schwitzen und weinen. Ich ließ sie betteln. Ich sah ihnen zu, wie sie krochen. Ich hörte sie grunzen und jaulen. Chris reagierte überhaupt nicht. Er sagte nicht ein einziges Wort, bis ich mit den Männern anfing, die zu unserer Einheit gehörten.
Die waren so leicht zu haben. Schon von Haus aus sensibel, fühlten sie die Erregung eines erfolgreich durchgeführten Überfalls mit der gleichen Intensität wie ich und nahmen den Vorschlag, den Triumph zu feiern, in aller Arglosigkeit an, diese Unschuldslämmer. Zuerst sagten sie zwar: »Aber wir sollen doch nicht ...« und »Also, soviel ich weiß, sind außerhalb der regulären Aktivitäten der Organisation persönliche Beziehungen ...« und »Um Gottes willen, das geht doch nicht, Livie. Wir haben unser Wort gegeben, daß wir alles Persönliche raus lassen.« Aber wenn ich darauf entgegnete: »Pah! Wer erfährt denn schon davon? Ich sag's bestimmt keinem. Du vielleicht?«, beteuerten sie heftig errötend: »Nein, natürlich nicht. So bin ich nicht.« Dann fragte ich mit großen Unschuldsaugen: »Wieso? Wie bist du nicht? Ich rede doch nur von einem Drink.« Und sie stotterten: »Natürlich. Ich wollte nicht sagen ... Ich würde mir nicht träumen lassen ...«
Diese Jungs nahm ich mit aufs Hausboot. Sie jammerten:
»Livie, das geht nicht. Wenigstens nicht hier. Wenn Chris das merkt, sind wir erledigt.« Und ich erwiderte: »Laß Chris meine Sorge sein«, und schloß die Tür hinter uns. »Oder hast du vielleicht keine Lust?« fragte ich. Ich schloß meine Finger um ihre Gürtelschließen und zog sie näher. Ich hob ihnen meinen Mund entgegen. »Oder hast du keine Lust?« wiederholte ich und schob meine Finger in ihre Jeans. »Also?« forderte ich, meine Lippen an den ihren. »Willst du oder willst du nicht? Überleg dir's.«
Wenn wir erst mal soweit waren, waren alle ihre Überlegungen, wenn man davon überhaupt noch sprechen konnte, auf einen einzigen Punkt gerichtet. Wir fielen auf mein Bett und rissen uns gegenseitig die Kleider vom Leib. Mir war es am liebsten, wenn sie keine Hemmungen hatten, ihre Gefühle auch verbal zu äußern. Dann wurde es nämlich richtig laut, und laut wollte ich es, so laut wie möglich.
Eines frühen Morgens nach einem Überfall amüsierte ich mich
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