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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sich viel darauf zugute, daß einer ihrer Reporter auf der Isle of Dogs zur Stelle gewesen war, als der junge Fleming versucht hatte, vor der Polizei zu fliehen. Heute - Freitag - widmete das Blatt unter der Überschrift »Das Drama vom East End« eine ganze Seite dem Mord an Kenneth Fleming, der nachfolgenden polizeilichen Untersuchung, der Verfolgungsjagd auf Flemings Sohn, seinem Sprung in die Themse, bei dem er beinahe ertrunken wäre, und der sensationellen Rettungsaktion. Die Aufnahmen vom Fluß waren körnig, weil ein Teleobjektiv benutzt worden war, um sie zu schießen, aber die Aussage war unmißverständlich: Der lange Arm des Gesetzes bekam die Schuldigen immer zu fassen, mochten sie sich noch so sehr anstrengen, ihm zu entgehen.
    Chris faltete die Zeitung und klemmte sie zusammen mit den anderen unter den Arm. Er zog die Füße durch die Kirschblüten, die den Bürgersteig in der Warwick Avenue bedeckten, und dachte an sein Gespräch mit Amanda am gestrigen Abend, nachdem Livie zu Bett gegangen war. »Ich glaube, es wird sich doch nicht so entwickeln, wie wir gehofft hatten«, war das einzige, was er ihr in aller Aufrichtigkeit hatte sagen können.
    Er hatte die Furcht in ihrer Stimme gehört, obwohl sie sich alle Mühe gegeben hatte, die Fassung zu bewahren. Sie hatte gefragt: »Warum? Ist etwas passiert? Hat Livie es sich anders überlegt?«
    Er wußte, daß sie weniger vor der Wahrheit selbst Angst hatte als davor, durch die Wahrheit verletzt zu werden. Er wußte, daß sie in Wirklichkeit fragte: Entscheidest du dich für Livie?
    Er hätte ihr gern gesagt, daß es nicht darum ging, sich für die eine oder die andere zu entscheiden. Die Situation war weit simpler. Der Weg, der zuvor als der logische erschienen war und im wesentlichen einfach ausgesehen hatte, erwies sich jetzt als kaum gangbar. Aber das konnte er ihr nicht sagen. Hätte er es getan, so wäre das seiner Aufforderung zu weiteren Fragen gleichgekommen, die er nicht beantworten konnte, sosehr er es auch wünschte.
    Darum hatte er erwidert: »Livie hat es sich nicht anders überlegt, aber die Umstände haben sich geändert.« Und sie fragte, inwiefern, und sagte: »Sie hat sich erholt, nicht wahr? O Gott, wie entsetzlich das klingt. Als wünschte ich, daß sie stirbt, und das will ich wirklich nicht, Chris, bestimmt nicht!«
    »Das weiß ich ganz genau. Aber das ist es sowieso nicht. Es geht darum, daß Livies -«
    »Nein«, hatte sie gebeten. »Du sollst es mir nicht sagen.
    Jedenfalls nicht in dieser Situation, wo ich am Telefon jammere wie eine Halbwüchsige. Erst, wenn du dazu bereit bist, Chris, und wenn Livie dazu bereit ist. Dann kannst du's mir sagen.«
    Gerade weil sie so vernünftig war, hätte er um so lieber mit ihr gesprochen und sie um Rat gefragt. Aber er sagte nur: »Ich liebe dich. Daran hat sich nichts geändert.«
    »Ich wollte, du wärst hier bei mir.«
    »Das wünsche ich mir auch.«
    Mehr gab es nicht zu reden. Dennoch waren sie am Telefon geblieben, hatten den Kontakt noch mehr als eine Stunde lang gehalten. Es war nach ein Uhr morgens gewesen, als sie schließlich leise gedrängt hatte: »Ich muß Schluß machen, Chris.«
    »Natürlich«, erwiderte. »Du mußt morgen um neun arbeiten, nicht wahr? Ich bin egoistisch, dich so festzuhalten.«
    »Nein, du bist nicht egoistisch. Außerdem ist es schön, wenn du mich festhältst.«
    Er verdiente sie nicht. Er wußte es, jeden Tag, wenn, wie es schien, nur die Gedanken an sie ihn aufrechterhielten.
    Die Hunde waren zur Straßenecke zurückgerannt. Mit wedelnden Schwänzen warteten sie auf seinen Befehl. Er holte sie ein, sah nach rechts und links, sagte: »Lauft, ihr Hunde!«, und sie flitzten los.
    Livie war an Deck, wie er sie zurückgelassen hatte, mit einer Decke um die Schultern in einem Liegestuhl. Sie sah gedankenverloren hinüber zu Browning's Island, wo die Weiden ihre dichtbelaubten Zweige zum Wasser herabhängen ließen. Sie sah eingefallener aus, als er sie je zuvor gesehen hatte: ein Vorgeschmack auf das, was kommen würde.
    Als Beans und Toast an Deck kamen und an ihrer linken Hand schnupperten, die schlaff vom Stuhl herabhing, richtete sie sich auf und wandte den Kopf.
    Chris legte die Zeitung neben ihr auf den Boden und sagte:
    »Es hat sich nichts geändert, Livie.«
    Als sie zu lesen begann, ging er nach unten, um die Hundenäpfe zu holen. Er gab den Tieren frisches Wasser, schüttete das Futter in die Näpfe, und Beans und Toast machten sich gierig

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