Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
dem Schirm zu hinterlassen.
    Ich muß einen neuen Fernseher kaufen, dachte sie. Was so ein Apparat wohl kostet?
    Es kam ihr gelegen, sich über diese Frage den Kopf zu zerbrechen: was für ein Modell sie kaufen würde; wie groß der Bildschirm sein sollte; ob sie wieder so einen Riesenkasten haben wollte wie den jetzigen, der so alt war wie Jimmy.
    Bei dem unerwünschten Gedanken an ihren Sohn biß sich Jeannie fest auf die Unterlippe. Jimmy war seit dem Morgen spurlos verschwunden.
    »Jimmy ist überhaupt nicht nach Hause gekommen?« hatte sie ihren Bruder gefragt, als die Polizei sie zurückgebracht hatte.
    »Nein, und Shar hat gesagt, er war auch nicht in der Schule. Diesmal ist er wirklich abgehauen.« Derrick nahm zwei seiner Bodybuilding-Geräte vom Tisch. Sie sahen aus wie riesenhafte Pinzetten, und er drückte sie abwechselnd in der Hand zusammen, während er vor sich hin murmelte: »Adduktor, Flexor, Pronator ...«
    »Du hast nicht nach ihm gesucht, Der? Du warst nicht im Park?«
    Derrick beobachtete, wie seine kraftvollen Armmuskeln sich zusammenzogen und entspannten. »Also, eines kannst du mir glauben, Pook. Ganz gleich, wo der Bursche ist, im Park ist er bestimmt nicht.«
    Dieses Gespräch hatte sie um halb sieben mit ihrem Bruder geführt, kurz bevor er gegangen war. Inzwischen war es nach zehn. Ihre beiden jüngeren Kinder lagen seit mehr als einer Stunde in ihren Betten. Und seitdem sie oben die Türen geschlossen hatte und wieder hinuntergegangen war, hatte Jean ununterbrochen am Fenster gestanden, dem Dröhnen der Fernsehstimme gelauscht und auf der Suche nach einem Zeichen von Jimmy in die Dunkelheit gestarrt.
    Auf dem Bürgersteig drei Häuser weiter bewegte sich jemand. Wider alle Vernunft hoffte sie, der Mensch, der sich da in der Dunkelheit näherte, möge ihr Sohn sein. Die Gestalt war groß und mager, hatte den gleichen energischen Gang, er war ja sehnig wie sein Vater ... Sie erlaubte sich ein Aufatmen. Dann sah sie, daß es gar nicht Jimmy war, sondern Mr. Newton, der wie jeden Abend seinen Corgi spazierenführte.
    Aus den Nachrichten um zehn hatte sie die Einzelheiten erfahren, nach denen sie vorher nicht gefragt hatte: um welche Zeit Ken gestorben war; die Ursache seines Todes, die allerdings noch der Bestätigung durch den Obduktionsbefund bedurfte; wo man ihn gefunden hatte; die Tatsache, daß er allein gewesen war.
    »Die Polizei hat inzwischen festgestellt, daß der Brand durch eine schwelende Zigarette in einem Sessel verursacht wurde«, hatte der Nachrichtensprecher abschließend gemeldet.
    Jean ging zum Couchtisch, um ihre eigene Zigarette in einem Aschenbecher auszudrücken, der die Form einer Muschel hatte und den goldenen Aufdruck »Weston-Super-Mare« trug. Sie zündete sich eine frische an, nahm den Aschenbecher und kehrte an ihren Posten zurück.
    Sie hätte gern behauptet, das Motorrad sei das Problem; der Ärger mit Jimmy habe genau an dem Tag angefangen, an dem er das verdammte Motorrad nach Hause gebracht hatte. Aber die Wahrheit war komplizierter, erschöpfte sich nicht in einer Reihe von Auseinandersetzungen zwischen Mutter und Sohn über den Besitz eines Motorrads. Die Wahrheit steckte in allem, worüber zu sprechen sie seit Jahren vermieden.
    Sie ließ den Vorhang herabfallen. Sie zog ihn an der Fensterbank gerade und fragte sich, wieviel Zeit ihres Lebens sie damit zugebracht hatte, so an einem Fenster zu stehen und auf etwas zu warten, das niemals kam.
    Sie ging durch das Wohnzimmer zu der alten, grauen Couch, Teil der schäbigen Garnitur, die sie und Ken zur Hochzeit von ihren Eltern geerbt hatten. Sie nahm ein zerfleddertes Exemplar von Woman 's Own zur Hand und hockte sich auf die Sofakante. Die Polster waren so abgenutzt, daß ihre Füllung sich schon vor langer Zeit zu harten kleinen Kügelchen zusammengeballt hatte, auf denen man etwa so bequem saß wie auf feuchtem Sand. Ken hatte die alten Möbel hinauswerfen und neue Sachen kaufen wollen, als er in die Nationalmannschaft gekommen war. Aber da hatte er schon zwei Jahre lang sein eigenes Leben ohne sie und die Kinder geführt, und Jean hatte das Angebot ausgeschlagen.
    Sie schlug die Zeitschrift auf, beugte sich über die Seiten, versuchte zu lesen. Sie fing den Artikel »Tagebuch eines Brautkleids« an, aber nachdem sie viermal versucht hatte, denselben Absatz zu lesen, in dem die bemerkenswerten Abenteuer eines Brautkleids aus dem Kostümverleih erzählt wurden, warf sie das Heft auf den Couchtisch,

Weitere Kostenlose Bücher