07 - Old Surehand I
hüten, denn dieser hat es nicht gern, wenn man sich um ihn bekümmert. Er ist in allen Künsten und Zaubereien erfahren und kann alle seine Feinde in weiter Ferne verderben, ohne daß er sie zu sehen und zu hören braucht.“
„Pshaw!“
„Du glaubst es nicht?“
„Nein.“
„Wenn ich es sage, kannst du es wohl glauben. Hüte dich vor ihm, und beherzige meine Bitte, diese Worte keinem Menschen mehr zu sagen!“
„Ich werde mich nach deinem Wunsch richten. Jetzt sage einmal: Lebt ihr wirklich mit den Kriegern der Chickasaws in Frieden?“
„Ja.“
„Weißt du, wo sie ihre Weideplätze haben?“
„Oben am Red-River.“
„Der ist lang. Kannst du es nicht näher bezeichnen?“
„Da, wo der Peace -Fluß in den Red-River geht.“
„Ich glaube, es ist ein kleiner Stamm?“
„Sie haben nur einige hundert Krieger und einen einzigen Häuptling.“
„Das ist Mba, der sich jetzt bei uns befindet?“
„Ja.“
„Was ist das für ein Mann?“
„Ein Mann wie alle Krieger, nicht größer und nicht kleiner.“
„Du meinst, daß er wohl tapfer sei, aber nicht eben sehr berühmt?“
„Ja.“
„Ich meinte meine Frage anders; ich hatte es auf seinen Charakter abgesehen.“
„Er ist ein friedlicher Mann, was dich nicht wundern darf, weil er so wenig Krieger hat. Ich habe nie einen Raub oder Mord oder eine Untreue von ihm erfahren.“
„Diesen Eindruck macht er auch auf mich. Kennst du ihn persönlich? Hast du ihn schon einmal gesehen?“
„Nein.“
„Sprich jetzt einmal mit ihm! Ich möchte gern wissen, wer der General ist, was er treibt, wohin er will und wie er mit Mba zusammengetroffen ist.“
„Ich werde es tun.“
„Tu es aber so, daß es nicht auffällt; er soll nicht denken, daß wir es wissen wollen.“
„Ich werde so mit ihm sprechen, daß er es mir erzählt, ohne daß ich ihn zu fragen brauche.“
Er ritt fort und kam schon nach einer halben Stunde wieder zu mir.
„Nun, hast du etwas erfahren?“ fragte ich.
„Ja. Was der General ist und was er treibt, das weiß Mba nicht. Er hat ihn und die drei Bleichgesichter unten am Wild-Cherry getroffen und ihnen versprochen, sie durch den Llano estacado nach dem Peace -River zu führen, wo sie sich bei den Chickasaws von dem Wüstenritt ausruhen wollen, um dann weiter zu reiten.“
„Wohin?“
„Das weiß ich nicht, weil er es mir auch nicht sagen konnte. Er erzählte es mir, ohne daß ich mich danach erkundigte.“
„Natürlich hat ihm der General eine Belohnung versprochen?“
„Drei Gewehre und Blei und Pulver.“
„Weiter hast du nichts erfahren?“
„Nein. Ich wollte nicht fragen, weil ihm das vielleicht aufgefallen wäre.“
„Das war sehr richtig von dir.“
„Hat mein Bruder Shatterhand einen Grund, sich nach dem General zu erkundigen?“
„Eigentlich nicht; aber er gefällt mir nicht. Und wenn ich Leute bei mir habe, denen ich nicht traue, pflege ich mich stets über ihre Verhältnisse und Absichten zu unterrichten. Es hat mir das schon oft Nutzen gebracht. Ich kann dir nur raten, dies stets auch zu tun.“
Es war allerdings so, daß ich diesem Grundsatz schon manchen Vorteil zu verdanken hatte. Auch dieser sogenannte General ging mich gar nichts an; es konnte mir ganz gleichgültig sein, woher er kam und wohin er ging; aber sein Spitzbubengesicht machte es mir unmöglich, gleichgültig gegen ihn zu sein, und so hatte ich diese ganz zwecklos scheinende Erkundigung über ihn einziehen lassen. Wie wohl ich daran getan hatte, das sollte mir nur zu bald einleuchten.
Die Morgendämmerung kam, und nach den wenigen Minuten, die sie dauerte, wurde es hell. Ich ritt mit Winnetou hinterdrein. Vor uns ritt Old Surehand mit Apanatschka. Eben ging die Sonne auf und warf ihr Licht über diese beiden Reiter.
„Uff!“ sagte Winnetou halblaut, indem er durch eine Handbewegung meinen Blick auf die zwei lenkte.
Ich brauchte ihn nicht zu fragen, was er meinte; ich sah es sofort auch: diese Ähnlichkeit zwischen ihnen! Diese Gleichheit der Gestalten, des Sitzes, der Haltung, der Bewegung! Man hätte sagen mögen, daß sie Brüder seien.
Kurze Zeit später kamen uns wieder Apachen mit Wasser entgegen; sie bildeten den vorletzten Relais. Wir blieben hier länger halten, um das Wasser zu verteilen und den Pferden eine Erholung zu gönnen. Dann ging es weiter zum letzten Relais, von welchem aus wir nur noch eine Stunde zu reiten hatten.
Nun fragte es sich, wer mit nach der Oase durfte, deren Lage ja geheimgehalten werden
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