07 - Old Surehand I
machen.“
„Aber des Abends pflegt man doch nicht zu jagen!“
„Old Shatterhand hat recht, und wir wußten das auch. Wir ließen unsre Pferde zurück und schlichen uns zu Fuß nach dem ‚Blauen Wasser‘, wo wir ankamen, als es dunkel war.“
„Habt ihr etwas gehört?“
„Nein. Wir gaben uns große Mühe, aber wir hatten kein Glück. Mein weißer Bruder wird mir das glauben und mir keine Vorwürfe machen. Es kann dem besten, dem kühnsten und vorsichtigsten Kundschafter geschehen, daß er trotz aller List heimkehren muß, ohne etwas erfahren zu haben.“
„Gewiß! Ich kenne dich, und es fällt mir gar nicht ein, gering von dir zu denken. Wo trafst du Winnetou?“
„Wir schlichen uns an zwei Abenden nach dem ‚Blauen Wasser‘. Am ersten hatten wir keinen Erfolg; am zweiten trafen wir mit Winnetou zusammen, welcher noch vor uns gekommen war und uns gebot, uns nicht länger in Gefahr zu begeben, sondern mit ihm zu kommen.“
„Ah, da hatte er ganz gewiß etwas erfahren!“
„Ja, er erfuhr etwas, worüber sich mein großer, weißer Bruder Old Shatterhand außerordentlich wundern wird.“
„Was?“
„In der großen Wüste, welche von den Bleichgesichtern der Llano estacado genannt wird, gibt es eine schöne Klaparya-Siyardestar (Grüne Insel) mit vielem, hellem Wasser, an welchem die herrlichsten Bäume, Sträucher und Blumen stehen. Dabei steht ein Haus, in welchem drei Personen wohnen, nämlich ein Deklil-Inda (Neger), eine Deklil-Isoma (Negerin), welche seine Mutter ist, und ein weißer Jäger; dieser ist der Herr der Gegend und wird Dil-Mejeh (Blutiger Fuchs) genannt. Winnetou hat ihn gesehen und mit ihm das Kalumet der Freundschaft geraucht.“
„Ich kenne ihn auch.“
„Uff!“ rief der Rote verwundert. „Old Shatterhand hat ihn auch schon gesehen?“
„Ja.“
„Also wohl auch das Wasser und das Haus in der Wüste?“
„Ja.“
„So weiß mein berühmter, weißer Bruder also den Weg dorthin zu finden?“
„Natürlich! Ich war einige Mal dort. Hat Winnetou dir das nicht gesagt?“
„Nein. Winnetou, der große Häuptling der Apachen, liebt nicht lange Erzählungen; er sagt kein Wort mehr, als was nötig ist. Also du kennst die Gegend auch und weißt den Weg! Darum soll ich auf dich warten und dir die Botschaft des Häuptlings bringen!“
Er wunderte sich. Ich ersah aus seinen Worten, wie verschwiegen Winnetou, wie stets, so auch in dieser Angelegenheit gewesen war. Er hatte nie ein Wort über die Oase im Estacado gesprochen. Der Apache fuhr fort:
„Es müssen einst Comanchen bei dem ‚Blutigen Fuchs‘ gewesen sein, wie ich aus Winnetous Worten entnahm.“
„Allerdings. Sie waren mit ihm und mit mir dort. Der junge Häuptling Schiba-bigk (‚Eisenherz‘) führte sie an.“
„Schiba-bigk? Ich höre, daß Old Shatterhand alles richtig weiß, denn dieser junge Häuptling soll die Comanchen jetzt nach der Insel in der Wüste führen.“
„Hast du vielleicht erfahren, weshalb die Comanchen ihren Kriegszug dorthin richten?“
„Winnetou hat es erlauscht. Der ‚Blutige Fuchs‘ ist aus der Wüste gekommen, um zu jagen, und mit einer Schar Comanchen zusammengetroffen; sie haben ihn angegriffen, um ihn zu töten; er hat sich verteidigt und mehrere von ihnen erschossen. Seine Kugeln sind ihnen gerade mitten in die Stirn gedrungen.“
„Haben sie ihn denn gekannt?“
„Einer von ihnen ist damals mit bei ihm in der Wüste gewesen und hat ihn erkannt.“
„Er ist ihnen entkommen?“
„Keine ihrer Kugeln hat ihn getroffen und keins ihrer Messer seine Haut geritzt.“
„Gott sei Dank! Nun unternehmen sie einen Rachezug, um ihn zu töten?“
„Ja, sie wollen ihn töten und sein Haus und die Bäume vernichten, daß die Insel wie eine Wüste wird. Das hat Winnetou erlauscht.“
„Aber er kann das nicht erst hier am ‚Blauen Wasser‘ erfahren haben, sondern er muß es schon vorher gewußt haben, denn ich habe die Nachricht davon schon oben in der Sierra Madre von ihm erhalten.“
„Es sind zwei Comanchen dort jagen gewesen und haben davon gesprochen, ohne ihn zu kennen. Er ist mit ihnen zusammengetroffen und hat sich für einen Sohn der Kiowas ausgegeben. Sie haben das geglaubt.“
„Dann sind ihre Seelen abwesend gewesen. Wer Winnetou, auch ohne ihn zu kennen, für einen Kiowa hält, der hat kein Hirn im Kopf. Weiter!“
„Winnetou ist von der Sierra Madre sofort aufgebrochen, um den ‚Blutigen Fuchs‘ zu warnen. Er sah auf seinem Weg die Spuren der
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