07 Von fremder Hand
Schock zu erholen, während er Montfort abwesend die Hand schüttelte. Als er sie wieder losließ, kam Simon Nicks zweiter Vorstellung zuvor.
»Winifred.« Er beugte sich vor, um sie auf die Wange zu küssen, doch seine Lippen gingen ins Leere, als sie im letzten Moment ihr Gesicht abwandte.
»Hallo, Simon.«
»Ihr kennt euch?«, fragte Montfort.
»Simon hat einige Kurse in meinem Theologieseminar geleitet«, antwortete Winifred kühl. »Das ist lange her.«
»Ja, nicht wahr?«, entgegnete Simon trocken. Er geleitete sie ins Wohnzimmer, wobei er nicht umhin konnte, ihre bloßen Arme und ihr ärmelloses blaues Seidenkleid zu bemerken.
Sie hatten eben Platz genommen, als die Türglocke ein zweites Mal läutete und die Ankunft von Garnet Todd und einer unbekannten Begleiterin verkündete. Garnet trug ihre übliche Zigeunerkluft, was Simon fast ebenso amüsant fand wie ihren standhaften Vegetarismus; in einem unbedachten Moment hatte sie ihm einmal verraten, dass sie die Tochter eines Metzgers aus Clapham war.
»Ich hoffe, du hast nichts dagegen, Simon«, sagte Garnet. »Ich habe meine Mieterin mitgebracht. Das hier ist Faith.«
Das Mädchen war groß und schlank, mit langem Hals und kurz geschnittenem Haar, das ihre feinen Gesichtszüge gut zur Geltung brachte. Sie war auch ganz offensichtlich schwanger, wie Simon bemerkte, als sie an ihm vorbei in die Diele trat, und dabei war sie selbst fast noch ein Kind. »Faith?«, wiederholte er. »Einfach nur Faith?«
»Einfach nur Faith.« Das Mädchen blickte ihn mit ernsthaften dunklen Augen an, ohne die Spur eines Lächelns. Worauf hat Garnet sich da nur eingelassen, dachte Simon.
Und wenn er irgendwelche Zweifel hinsichtlich der sexuellen Vorlieben des jungen Nick Carlisle gehabt hatte, so wurden sie in dem Moment zerstreut, als Faith das Wohnzimmer betrat. Beide Männer erhoben sich, doch Nick wirkte wie vom Blitz getroffen. Dem Mädchen schien nicht bewusst zu sein, welche Wirkung von ihm ausging; es betrachtete alle mit dem gleichen ernsten Blick.
Als Simon Garnet vorstellte, sagte Winifred: »Garnet Todd, die Keramikkünstlerin? Ich bin ganz begeistert von Ihrer Arbeit! Ich hatte gehofft, Sie würden eines Tages die Fliesen in meiner Kirche restaurieren können.«
»In Ihrer Kirche?« Garnets abgezehrtes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.
»Ich bin Pfarrerin von St. Mary’s in Compton Grenville«, antwortete Winifred, und bald waren sie in eine Diskussion über die Fliesenarbeiten in der Kirche vertieft.
Das ist typisch Garnet, wie sie gleich das Gespräch an sich reißt, dachte Simon bitter, während er die Drinks servierte. Sobald es ihm gelang, das Wort zu ergreifen, warf er ein: »Nick erzählte mir, Sie hätten ein besonderes Interesse an der Geschichte der Abtei, Mr. Montfort?«
»Das kann man wohl sagen. Sagen Sie doch bitte Jack zu mir. Und wie ich höre, sind Sie der Experte, was die Abtei betrifft. Ich interessiere mich insbesondere für das elfte Jahrhundert und die Amtszeit des Abts Aethelnoth.«
»Aethelnoth? Das ist ein Name, den die meisten Leute noch nie gehört haben. Nicht gerade ein leuchtender Stern in der Geschichte der Abtei, der Mann.«
»Ich habe mich gefragt, was während seiner Zeit geschehen sein könnte, von dem die Mönche glauben mussten, dass es den Zorn Gottes auf ihr Haus herabrufen würde?«
»Aethelnoth hat unter anderem das Gold und Silber aus den heiligen Büchern der Abtei entfernt und es zu seinem eigenen Profit verkauft, und er hat sich Ländereien der Kirche angeeignet. Seine unrühmliche Karriere endete damit, dass er offiziell abgesetzt und in der Christ Church in Canterbury unter Arrest gesetzt wurde.
Genau genommen«, fuhr Simon fort, der allmählich in Fahrt kam, »war an keinem der beiden letzten angelsächsischen Äbte irgendetwas Herausragendes. Aethelnoths Vorgänger Aethel-weard zerhackte König Edgars sterbliche Überreste und versuchte sie in ein Reliquiar zu stopfen, worauf er unheilbar geisteskrank wurde - kein Wunder - und kurz darauf stürzte und sich das Genick brach. Aber ich könnte nicht behaupten, dass irgendeine ihrer Missetaten es gerechtfertigt hätte, den Zorn Gottes auf die Abtei herabzurufen.«
Montfort und Nick Carlisle tauschten enttäuschte Blicke. »Solche Dinge waren damals wohl an der Tagesordnung, nehme ich an?«, fragte Montfort.
»Leider ja. Die Wahl eines Abts hatte gewöhnlich mehr mit
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