07 Von fremder Hand
Winnie, musste dann aber über ihr eigenes Unbehagen lachen. »Na gut, vielleicht ist es doch ein bisschen so. Erzähl mir von dir«, fügte sie hinzu, darauf bedacht, schnell das Thema zu wechseln.
»Da gibt’s leider nicht viel zu erzählen.«
Winnie betrachtete eingehend das Gesicht ihrer Freundin. »Du siehst ein bisschen mitgenommen aus.«
Fiona zuckte mit den Achseln. »Ich erwarte ja gar nicht, dass ich irgendeine Kontrolle über das habe, was ich male - das war noch nie der Fall -, aber so etwas wie das hier ist mir noch nicht vorgekommen.«
»Du malst also immer noch das kleine Mädchen?«
»Sie sind so düster, diese Bilder. Ohne jede Fröhlichkeit. Mir graut allmählich schon davor, dass mich der Drang zu malen überkommt. Und Bram hasst sie, das merke ich genau -«
Das Knallen der Tür brachte sie zum Schweigen.
»Tut mir Leid, dass ich mich verspätet habe, Fi«, sagte Bram Allen, als er in die Küche trat und seine Frau auf die Wange küsste. »Musste noch auf einen Anruf aus dem Ausland warten. Hallo, Winnie«, fügte er hinzu, indem er ihr flüchtig zunickte. »Schön, Sie zu sehen.«
Während Fiona das Essen für ihren Mann zubereitete, beobachtete Winnie das Paar mit einem Anflug von Neid. Die beiden waren über fünfundzwanzig Jahre verheiratet, und sie wirkten immer noch so verliebt wie ein junges Brautpaar. War ihr und Jack eine solche Zukunft bestimmt? Oder würde Jacks Umgang mit Simon ihn in eine Richtung führen, in die sie ihm nicht folgen konnte?
Sie war zufrieden gewesen in ihrer Selbstgenügsamkeit, bis sie Jack Montfort begegnet war; sie war sich keiner Leere in ihrem Leben bewusst gewesen. Warum also erfüllte sie jetzt der Gedanke an eine Zukunft ohne ihn mit solcher Trostlosigkeit und Verzweiflung?
Sie hatten es sich in Jacks Küche bequem gemacht - Winnie und Jack, Nick, Garnet Todd, Simon und das Mädchen, Faith. Die Hitzewelle, unter der ganz Südengland seit Wochen litt, hatte nachgelassen, und in der leichten Brise, die durch die geöffneten Fenster hineinwehte, ließ eine gewisse Frische bereits den Herbst erahnen. Von ihrem Platz aus konnte Winnie die Flanke des Tor erblicken, der hinter dem verwilderten Garten aufragte. Ein einzelnes Schaf weidete auf dem grünen Gras.
Sie tranken gemütlich ihren Tee und ergingen sich in den zwanglosen Plaudereien, die so typisch für warme Sommernachmittage sind. Jack hielt sein Notizbuch bereit.
Plötzlich begann sein Kugelschreiber sich über das Papier zu bewegen. Jack setzte seine Unterhaltung mit Simon fort, offenbar ohne sich der Handlungen seiner eigenen Hand bewusst zu sein. Sooft Winnie dieses Phänomen auch miterlebt hatte, sie empfand es immer noch als verstörend und unheimlich. Unwillkürlich kam ihr das Wort »Besessenheit« in den Sinn.
Sobald Jack zu schreiben aufgehört hatte, begann Simon zu übersetzen.
Bruder Francis hat mir meine eigene Schreibnische zugewiesen. Wir arbeiten an der Nordseite des Kreuzgangs, wo das Licht am besten ist, und meine Nische liegt in der Nähe eines Fensters; ein sehr begehrter Platz. Bruder Francis hat mir des Abts eigenes Missale zum Kopieren gegeben, weil ich so rasch gelernt habe, doch er warnt mich vor der Sünde des Stolzes.
Simon sah stirnrunzelnd von dem Blatt auf. »Dann folgen ein paar Zeilen, die ich überhaupt nicht entziffern kann - dann etwas... etwas... Mädesüß, glaube ich. Der Duft von Mädesüß. Dann... viel Regen... Glaston erhebt sich aus der überschwemmten Ebene... eine Insel im Nebel. Vorräte werden von den weiter entfernten Ländereien der Abtei herbeigebracht, doch unsere Besucher sind nur wenige, was mir freilich sehr recht ist.
»Ist euch aufgefallen, dass er plötzlich im Präsens zu uns spricht?«, fragte Winnie.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass der lineare Zeitbegriff sonderlich viel bedeutet für jemanden in Edmunds... hm, Zustand«, sagte Jack.
»Also Jack, es wäre doch wirklich übertrieben, wenn wir Winifreds Gefühle schonen wollten, indem wir das Wort >Geist< vermeiden«, warf Simon ein. Winnie musste ihm ausnahmsweise Recht geben. Welche Veranlassung hatte sie, über dogmatische Details zu streiten, wenn Edmund, der schließlich ein katholischer Mönch gewesen war, anscheinend kein Problem damit hatte, ein Geist zu sein?
»Winnie hat Recht«, sagte Garnet. »Es ist eine Veränderung - es ist, als ob die Vergangenheit für ihn jetzt gegenwärtiger wäre
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