07 Von fremder Hand
Jungen zu schützen, der sich allem Anschein nach nicht weiter für sie interessiert hatte.
Die nächste schwierige Aufgabe würde darin bestehen, ein Treffen zwischen Faith und ihrer Mutter an einem neutralen Ort zu arrangieren. Sie war schon fast zu Hause angekommen, als sie zu dem Schluss kam, dass ihr Arbeitszimmer im Pfarrhaus den idealen Rahmen abgeben würde.
Das Pfarrhaus lag in dem Örtchen Compton Grenville an der Straße nach Butleigh, südlich von Glastonbury. Winnie hatte ihre Pfarrei in dieser sanften Hügellandschaft im Lauf der Zeit ins Herz geschlossen. Im Osten erstreckte sich das Flachland der Somerset Levels, im Westen fiel der Blick auf das Hood-Denkmal auf dem bewaldeten Gipfel des Windmill Hill.
Das Haus war ein Musterexemplar des ehrwürdigen, aber zugigen viktorianischen Gemäuers, doch in den fünf Jahren, die sie dort wohnte, hatte Winnie auch seine exzentrischeren Seiten irgendwie lieb gewonnen.
Gewiss hätte es ein kleines Vermögen gekostet, das Haus so herzurichten, wie es sich gehörte, aber Winnie hatte das Beste aus den Mitteln gemacht, die ihr die Diözese zur Verfügung gestellt hatte, und zudem noch einen Teil des Geldes aufgewendet, das sie und Andrew von ihren Eltern geerbt hatten. Sie hatte im vorderen Salon ihr Büro eingerichtet und die große alte Küche in eine Kombination aus Wohn- und Esszimmer umgewandelt.
Wie immer bog sie mit einem guten Gefühl in die Einfahrt ein. Sie und Jack hatten keine Pläne für diesen Abend; ausnahmsweise hatte sie auch keine seelsorgerischen Verpflichtungen, und sie freute sich schon darauf, einen ruhigen Abend mit dem Vorbereiten ihrer Predigt zu verbringen. Und dann erblickte sie zu ihrer Überraschung Andrews Wagen, der in der Nähe des Kücheneingangs geparkt war.
Andrew war in letzter Zeit recht häufig ohne Voranmeldung hereingeschneit. Winnie liebte ihren Bruder über alles, doch sie war sich darüber im Klaren, dass seine Besorgnis wohl eher seinem als ihrem Wohlergehen galt. Andrew hatte sich mehr und mehr in eine Abhängigkeit von Winnie begeben, und sie hatte sich bemüht, ihm zu versichern, dass sich durch ihre Gefühle für Jack zwischen ihnen nichts ändern würde. Wenn sie sich selbst nichts vormachen wollte, musste sie allerdings zugeben, dass sich bereits etwas geändert hatte.
Sie parkte den Wagen, nahm die Lebensmittel, die sie fürs Abendessen gekauft hatte, aus dem Kofferraum und trat durch die Hintertür ins Haus. Andrew saß an ihrem Küchentisch, vor ihm lag ausgebreitet der Observer, und in der Hand hielt er ein halb leeres Glas Rotwein. Mit einem lausbübischen Lächeln blickte er zu ihr auf.
»Hallo, Liebling. Ich habe dir ein feines Fläschchen Burgunder mitgebracht, und ich dachte, ich bleibe noch ein bisschen, um die Honneurs zu machen.«
»Das hast du schon getan, wie ich sehe.« Sie küsste ihn liebevoll auf die Wange, während sie ihre Einkäufe auf dem Tisch abstellte. Die Küche war mit ihrer heiteren Atmosphäre ihr Lieblingszimmer im ganzen Haus. Rollos aus tomatenrotem Leinenstoff bedeckten die Fenster, sodass die Morgensonne den Raum mit einem eigenen Sonnenaufgang füllte. Das alte Sofa und den Sessel in der kleinen Sitzecke hatte sie mit einer Kombination von bedruckten Stoffen in demselben Rot und in Apfelgrün bezogen.
Jetzt im Abendlicht wirkten die satten Farben gedämpft, das Zimmer kühl und einladend. Andrew überprüfte den Inhalt der Einkaufstasche. »Ein Laib Brot, ein Stück Käse - Farm-house-Cheddar, alle Achtung -, Äpfel und eine Tafel Cadbury-Schokolade. Planst du ein romantisches Abendessen?«
»Nein, ein Arbeitsessen, wenn du’s genau wissen willst; also sollte ich mich mit dem Wein zurückhalten. Aber ich nehme ein Glas und lege ein bisschen die Füße hoch, bevor ich mich ans Werk mache.« Winnie holte ein Glas aus dem Schrank und setzte sich auf den Platz neben Andrew. Mit einem Seufzer der Erleichterung schlüpfte sie aus den Schuhen.
Sie hörte oft, dass sie und Andrew einander glichen, doch sie fand, dass er bei dem Geschäft besser weggekommen war. Er war größer und schlanker, und ihre eigenen angenehmen Gesichtszüge und ihr widerspenstiges braunes Haar waren bei ihm zu einer dezenten Attraktivität verfeinert. Die Brille mit dem dünnen Schildpattgestell verlieh ihm zudem noch diese gewisse distinguierte Note. Ganz der Professor, dachte sie, während sie sich Wein einschenkte, und sie lächelte.
Andrew sah
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