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07 Von fremder Hand

07 Von fremder Hand

Titel: 07 Von fremder Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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machen, wie Kincaid mit ihrer Entscheidung umgehen würde, dass sie es versäumt hatte, ihre eigene Reaktion auf ihre Trennung in die Rechnung einzubeziehen. Und trotz ihrer Begeisterung für den Job und der Intensität, mit der sie sich auf ihren Lehrgang konzentrierte, verspürte sie einen unablässigen Schmerz, der mit der Zeit nur noch tiefer zu werden schien. Sie betrachtete das bereits als so etwas Ähnliches wie einen Phantomschmerz - den ganzen Tag über ertappte sie sich dabei, wie sie imaginäre Gespräche mit Kincaid führte. Es war, als hätten sich im Laufe der Zeit seine und ihre Gedankenstränge permanent miteinander verwoben. Selbst wenn sie in einer Ermittlung einmal getrennt gewesen waren, weil sie etwa verschiedene Spuren in einem Fall verfolgt hatten, hatte sie sich ständig im Kopf Notizen gemacht, um ihre Gedanken später mit ihm zu teilen.
      Kincaid hatte wie erwartet reagiert: Seine anfängliche Bestürzung verwandelte sich rasch in hilflose Wut. »Bedeutet unsere Partnerschaft dir denn gar nichts?«, hatte er gefragt, und ihre Rechtfertigungen klangen selbst in ihren eigenen Ohren schwach. Er hatte sich natürlich zusammengenommen, versuchte sogar, Verständnis zu zeigen und sie zu unterstützen - doch er zog sich von ihr zurück. Während der letzten Wochen ihres Lehrgangs in Hampshire hatte sie ihn ein paarmal angerufen, doch ihre Gespräche erschöpften sich in nettem, distanziertem Geplauder. Bei ihrer Rückkehr nach London am Tag zuvor fand sie ihre neue Dienstzuteilung vor, und sie wusste, dass sie ihm persönlich davon berichten musste.
      Sie hatte ihn nicht im Yard angetroffen - er war unterwegs und ermittelte in einem Fall -, und so fuhr sie nach Hause, bereitete Tobys Abendessen, steckte ihn anschließend bei Hazel ins Bett und machte sich dann auf den Weg, um Kincaid in seiner Wohnung in Hampstead zu besuchen. Sie hätte anrufen sollen - vielleicht war er ja noch nicht zurück, vielleicht hatte er andere Pläne, vielleicht wollte er sie gar nicht sehen -, und vielleicht hatte sie gerade aus Angst vor dieser dritten Möglichkeit beschlossen, unangemeldet hinzufahren.
      Es herrschte nicht viel Verkehr, als sie durch Camden Town fuhr, und der Septemberabend war so mild, dass sie in ihrem neuen Wagen mit heruntergelassenen Fenstern fahren konnte. Der Ford Escort, dessen Farbe die romantische und ungewöhnliche Bezeichnung »Wilde Orchidee« trug, war ein dringend benötigtes Geschenk, das sie sich selbst zur Beförderung gemacht hatte. Die Gehaltserhöhung ließ das zu, vor allem aber brauchte Gemma irgendein sichtbares Symbol ihres Erfolgs. Und Kincaid hatte das Auto noch nicht gesehen, was ihr einen guten Grund gab, bei ihm zu Hause aufzukreuzen.
      Als sie in Hampstead ankam, tummelte sich die Schickeria schon scharenweise auf den Straßen, überall sah man sie flanieren und in den Straßencafes sitzen, um zu sehen und gesehen zu werden, das Handy stets im Anschlag.
      Sie bog in die Carlingford Road ein und sah Kincaids alten MG Midget mit der Plane über dem Fahrgastraum vor seinem Haus stehen, doch das bedeutete nicht unbedingt, dass er zu Hause war. In der Wohnung des Majors im Erdgeschoss war alles ruhig, ebenso im Treppenhaus, und als sie im obersten Stock ankam, hörte sie auch kein Geräusch aus Kincaids Wohnung, weder Fernseher noch Stereoanlage. Ihre Hoffnung schwand, aber sie klopfte dennoch, und einen Augenblick später öffnete er die Tür.
      »Gemma! Ich wusste gar nicht, dass du schon zurück bist.«
      Sie sog die Details in sich auf, als sei es Monate und nicht Wochen her gewesen, dass sie ihn zuletzt gesehen hatte: das widerspenstige kastanienbraune Haar, Jeans und ein kornblumenblaues T-Shirt, das seine indigofarbenen Augen zur Geltung brachte, die Füße ohne Schuhe und Strümpfe, und dann dieses Lächeln, das ihr jedes Mal den Atem raubte.
      »Ganz spät gestern Abend«, sagte sie, während sie ihm in die Wohnung folgte. »Ich störe dich doch nicht bei irgendwas, oder?«
      »Nein, höchstens beim Biertrinken und Auf-dem-Balkon-Sitzen.« Er ging zum Kühlschrank, nahm eine Flasche Lager heraus und hielt sie ihr hin, indem er die Augenbrauen fragend hochzog.
      Mit einem Nicken griff sie nach der kalten Bierflasche und ließ den Blick anerkennend durch die Wohnung schweifen. Er hatte etwas sehr Seltenes zu Stande gebracht: eine Einrichtung, die zugleich bequem und maskulin war. Die kleine, aber praktische Küche war vom Wohnzimmer durch

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