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07 Von fremder Hand

07 Von fremder Hand

Titel: 07 Von fremder Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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sie mit hoch gezogenen Augenbrauen an und erkundigte sich: »Na, hattest du einen guten Tag? Du siehst aus, als hättest du beim Bischof Eindruck schinden wollen.«
      »Das, und noch viel mehr.« Sie zögerte. Wie viel durfte sie ihm von Faiths Situation erzählen, ohne das Vertrauen des Mädchens zu missbrauchen? Ohne irgendwelche Namen zu nennen, umriss sie kurz ihre Bemühungen, eine Versöhnung mit der Familie in die Wege zu leiten.
      Andrew schwenkte den Wein in seinem Glas, nahm einen Schluck und fixierte sie über den Glasrand hinweg. »Winnie, meinst du nicht, dass du in dieser Sache deine Kompetenzen überschritten hast? Dieses Mädchen ist kein Mitglied deiner Gemeinde - du weißt nicht einmal, ob sie überhaupt der Anglikanischen Kirche angehört. Niemand hat dich gebeten, zu vermitteln - oder dich einzumischen, je nachdem wie man’s sieht -, und ich habe den Eindruck, dass du dabei viel eher Schaden anrichten könntest als sonst irgendwas.«
      Sie starrte ihren Bruder verblüfft an. »Es ist meine Aufgabe, Menschen beizustehen, ob sie nun Gemeindemitglieder sind oder nicht. Das weißt du. Und ich hätte die Eltern nie ohne die Erlaubnis des Mädchens aufgesucht. Mein Gott, sie ist siebzehn Jahre alt, und sie vermisst ihr Zuhause und ihre Eltern!«
      »Du hast ja keine Ahnung, wie die Mädchen heutzutage sind! Oder die Teenager überhaupt. Sie sind einfach faul und erwarten, dass man ihnen alles auf einem Silbertablett serviert. Und die da hat es wahrscheinlich nicht besser verdient -«
      »Das ist doch abwegig -«
      »Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass es nicht gerade für sie spricht, wenn sie sich mit deinen spinnerten Freunden abgibt. Und wie kommst du eigentlich darauf, dass dieses Mädchen dir in allem die Wahrheit gesagt hat?« Andrew schüttelte angewidert den Kopf. »Seit du Jack Montfort begegnet bist, scheinst du jeglichen gesunden Menschenverstand eingebüßt zu haben.«
      »Andrew, was um alles in der Welt ist in dich gefahren?« Dann dämmerte es ihr plötzlich. »Das hat überhaupt nichts mit meiner Arbeit zu tun! Es geht um Jack, hab ich Recht?«
      Einen Moment lang dachte sie, er werde es abstreiten, doch dann erwiderte er ihren Blick. »Glastonbury ist eine Kleinstadt, Winnie. Die Leute reden. Ich war gestern in einer Gemeindeversammlung, und da wurde ausgiebig über dich und Jack Montfort spekuliert. Montfort kann man es ja noch nachsehen, wenn er sich kopfüber in diese Sache stürzt, aber für mich gibt es keine Entschuldigung dafür, dass du gleich hinterherspringen musstest. Es wundert mich, dass dein Bischof dich noch nicht zu einem Gespräch unter vier Augen bestellt hat, weil du dich mit diesem hanebüchenen Spiritismus abgibst -«
      »Das reicht!« Sie schob ihren Stuhl zurück und sprang auf; die Verwirrung in ihrem Blick war kaltem Zorn gewichen. »Du bist verdammt unverschämt, und du weißt überhaupt nicht, wovon du redest. Ich glaube, du gehst jetzt besser heim.«
      Andrew stand ebenfalls auf; er schwankte ein wenig und beugte sich zu ihr herab. »Was glaubst du denn, wie ich mich fühle, wenn über mich geklatscht wird? Ich habe jahrelang für meinen guten Ruf in dieser Stadt gearbeitet - du weißt, wie schwer es ist, an Projektmittel ranzukommen -, und jetzt lachen die Leute sich ins Fäustchen, wenn sie mich sehen, und machen Bemerkungen über meine Schwester und ihre überschäumenden Hormone, die ihr den Verstand trüben. Alle wollen sie wissen, ob du mit ihm schläfst - schläfst du mit ihm, Winnie?«
      Zum ersten Mal, seit sie neun Jahre alt gewesen war, holte Winnie aus und versetzte ihrem Bruder mit aller Kraft einen Schlag ins Gesicht.
     
    »Inspector James...«
      Gemma sprach die Worte während des Fahrens laut aus, prüfte, wie der Klang sich auf ihrer Zunge anfühlte. Konnte einem schon zu Kopf steigen, so ein Titel. Da geriet man leicht in Versuchung, sich für einen neuen Menschen zu halten, während die Veränderungen in Wirklichkeit eher den Ablagerungen von Unreinheiten auf einer Perle glichen. Ein bisschen mehr an Ärger brachte einem ein bisschen mehr an Glanz ein, eine weitere Schicht Wissen und Erfahrung.
      Oder vielleicht hatte sie sich gewünscht, der Titel würde sie zu einem anderen Menschen machen - einem Menschen, bei dem das Bewusstsein, etwas geleistet zu haben, nicht wie bei ihr mit einem Gefühl des Verlusts gemischt war. Sie war so sehr damit beschäftigt gewesen, sich Gedanken darüber zu

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