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07 Von fremder Hand

07 Von fremder Hand

Titel: 07 Von fremder Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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ihrem Kopf, und als sie den Kopf hob, sah sie, wie sich die Gestalten hinter der Glasscheibe drängten - schimmernde, geflügelte, halb menschliche Kreaturen; sie winkten ihr zu, und der Nachthimmel hinter dem Glas schillerte nun in tiefem Blau.
      Auf der Leinwand nahmen die Bilder allmählich Gestalt an, strenge Gesichter von unwahrscheinlicher Leuchtkraft, und in ihrer Mitte das Kind. Irgendwann fühlte Fiona Brams Gegenwart, spürte, dass er in der Tür stand und sie beobachtete, doch er unterbrach sie nicht, und als sie sich umsah, war er verschwunden.
      Und dann nahm sie nichts mehr wahr als nur noch Pinsel und Leinwand. Aus dem chaotischen Getöse waren allmählich unterscheidbare Geräusche geworden, als ob jemand an der Sendereinstellung eines Radios gedreht hätte, und sie merkte, dass die Stimmen sangen - sie sangen für sie, und die klare Melodie schwoll in ihr an und tönte immer lauter, bis sie glaubte, ihr Kopf müsse zerspringen.
     
    Der letzte Rest von Farbe wich aus dem Himmel, und in den Senken und Mulden unterhalb des Tor begannen sich Nebelfetzen zu bilden. Ein verbeulter weißer Lieferwagen brauste an Winnie vorbei - er gehörte Garnet, mit Faith auf dem Beifahrersitz war sie auf dem Nachhauseweg zu ihrem Bauernhof oben auf dem Hügel.
      Anstatt sie zu beruhigen, hatte Winnies Begegnung mit dem Mädchen im Café ihre Sorgen nur verstärkt. Sie würde in den nächsten Tagen mit Garnet ein Wort über Faiths Gesundheitszustand wechseln müssen. Vielleicht würde sie irgendeine Erklärung für Faiths seelische Verfassung liefern können.
      Und warum hatte Faith sich ihr vorhin im Café auf einmal derart verschlossen, sodass sie ihr nicht einmal mehr in die Augen sehen wollte? Hatte sie irgendetwas Falsches gesagt?
      Als Winnie sich ihre Unterhaltung noch einmal durch den Kopf gehen ließ, fiel ihr etwas Merkwürdiges auf. Faith hatte gesagt, sie habe in Somerfield Archäologie belegt, was bedeutete, dass sie Andrews Schülerin gewesen sein musste. Aber wenn das der Fall war, weshalb hatte er sie dann nie erwähnt? Das plötzliche Verschwinden einer begabten Schülerin, eines Mädchens, das kurz vor dem Abschluss stand und zu Großem bestimmt schien, würde ihn doch gewiss beunruhigt haben? Andererseits schien er in letzter Zeit für alle seine Schüler nur noch Hohn und Verachtung übrig zu haben - was war nur aus seiner Leidenschaft für den Lehrerberuf geworden?
      Winnie gelangte zu der schmalen Einmündung der Lypatt Lane und bog mit ihrem Fahrrad um die Ecke. Der Weg würde sie zur Bulwarks Lane führen, von der aus man die steil abfallende Senke von Bushy Coombe überblickte und an deren Ende Fiona Aliens Haus lag. Der Himmel war als blasser Streifen über den hohen Hecken zu sehen, die den Weg auf beiden Seiten säumten. Im Westen war noch ein Rest von Azurblau zu erkennen, doch hoch über ihr blitzten bereits die ersten Sterne auf. Sie schaltete ihre Fahrradlampe ein, doch sie flackerte nur schwach auf und verlosch dann.
      Winnie beschleunigte ihren Schritt und grübelte weiter über Andrews merkwürdiges Verhalten nach. Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass sie ihren Bruder vielleicht gar nicht wirklich kannte. Die Vorstellung erschreckte sie, und sie sehnte sich plötzlich nach Jacks Gesellschaft, nach seiner ruhigen und besonnenen Art. Sicherlich würde er zu Hause sein, wenn sie bei Fiona ankam; sie würde ihn von dort anrufen und ihn bitten, sie abzuholen.
      Sie erreichte die leichte Einbuchtung an der Stelle, wo der Fußweg, der an der Rückseite des Chalice Hill entlangführte, in die Lypatt Lane mündete. Dahinter begann bereits die Bulwarks Lane, und die Tatsache, dass sie ihr Ziel nun fast erreicht hatte, erfüllte sie mit unerwarteter Erleichterung.
      Sie blieb stehen und sah automatisch nach, ob der Weg frei war, obwohl sie in einer stillen Nacht wie dieser ein herannahendes Auto wohl kaum hätte überhören können. Die Straße war jetzt dunkel wie ein Tunnel, erkennbar nur durch die Nebelschicht, die sich auf den Boden herabgesenkt hatte.
      Sie schob das Fahrrad über die Kreuzung, und ein Licht tauchte aus dem Nichts auf, das sie augenblicklich blendete. Sie riss die Arme hoch, als sie das Dröhnen eines Motors hörte und spürte, wie irgendetwas auf sie zugerast kam.
      Kurz vor dem Aufprall registrierte sie in einem Winkel ihres Bewusstseins noch, dass sie keinerlei Bremsgeräusche gehört hatte.
     
     

** ZWEITER TEIL
     

* 8
     
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