07 Von fremder Hand
eine Nichte oder einen Neffen -, da wir vermuteten, die Beziehung zwischen Edmund und mir könnte eine genetische Komponente haben.«
»Ein uneheliches Kind?«, meine Kincaid sinnend. »In diesem Fall hätte es keinerlei Dokumente gegeben.«
»Das muss ich Simon sagen. Das lässt die Sache in einem neuen Licht erscheinen« - Jack schnitt eine Grimasse -, »obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass uns der Versuch, die Tochter eines fahrenden Steinmetzen aus dem elften Jahrhundert aufzuspüren, sehr viel weiter bringen wird.« Mit einem Blick auf seine Armbanduhr fügte er hinzu: »Und jetzt muss ich sowieso erst mal ins Krankenhaus. Als ich heute Morgen mit Nick telefonierte, meinte er, er würde um die Mittagszeit herkommen und sich um Faith kümmern. Ich wollte sie nicht gerne allein lassen, solange Garnet immer noch -«
»Ihr habt sie also noch nicht gefunden?«
Verblüfft drehten sie sich alle zur Tür um. Wie lange hatte das Mädchen schon da gestanden und alles mitgehört? Ihr kurzes Haar stand vom Kopf ab, als sei sie eben erst aus dem Bett gekrochen; auf ihrer Wange war noch der Abdruck des Kopfkissens zu sehen. Als sie ins Zimmer trat, sah Gemma, wie das Gewicht das Kindes, das sie im Leib trug, ihren schlanken Körper plump und unbeholfen machte.
Jack war der Erste, der die Fassung wieder fand. »Nein, leider nicht. Faith, das hier sind mein Cousin Duncan und seine Freundin Gemma. Sie sind gekommen, um zu helfen.«
»Ich glaube nicht, dass das irgendjemand kann«, sagte Faith leise. In ihren dunklen Augen schimmerten Tränen.
»Setz dich«, sagte er in besänftigendem Ton, während er auf-stand und ihr einen Stuhl zurechtrückte, »und trink erst mal eine Tasse Tee. Ich bin sicher, dass Garnet nichts fehlt -«
Es klingelte an der Tür. »Das muss Nick sein«, sagte Jack hastig und verschwand in Richtung Diele.
Doch die mit gedämpfter Stimme vorgebrachte Erwiderung auf Jacks Begrüßung hatte den unverkennbaren Unterton des Offiziellen, wenn auch Gemma nicht genau verstehen konnte, was gesagt wurde. Kincaid hatte es auch bemerkt - er war aufgestanden und eilte nun ebenfalls zur Tür. Gemma warf noch einen raschen Blick auf Faith, die sich auf den Stuhl niederließ, den Jack ihr hingestellt hatte, dann folgte sie Duncan.
Als sie an der Haustür ankam, zeigte Kincaid gerade einem kräftigen Mann mit Tweedjacke und schütterem rotem Haar seine Dienstmarke. »Duncan Kincaid von Scotland Yard«, sagte er und gab dem Mann die Hand. Zu Gemma gewandt, fügte er hinzu: »Inspector James.«
Sie bemerkte Jacks Verblüffung, während sie dem Ankömmling ebenfalls die Hand schüttelte - sie hatte sich zuvor nicht mit ihrem Dienstgrad vorgestellt.
»Alfred Greely, Kripo Somerset.« Greely hatte einen starken West-Country-Akzent, und sein Blick war unverhohlen abschätzend. »Könnten wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten?«
»Wir gehen am besten in die Küche«, erwiderte Jack. »Ist es wegen Winnie - Miss Catesby?«
»Ich fürchte nein, Mr. Montfort. Sie sollen gestern Nacht angerufen und eine gewisse Miss Garnet Todd als vermisst gemeldet haben.«
Als sie die Küche betraten, deutete Jack mit einer Kopfbewegung auf Faith. »Diese junge Dame wohnt bei Miss Todd. Sie kam gestern Abend zu mir, nachdem Garnet nicht nach Hause gekommen war.«
Als Greelys Blick auf sie fiel, schien Faith noch weiter in ihrem Stuhl zusammenzusinken. »Ich fürchte, wir haben Miss Todd gefunden«, sagte er. »Einem Herrn ist bei seinem Morgenspaziergang rund um den Tor aufgefallen, dass ein Weidegatter ein ungewöhnlicher Ort ist, um einen Lieferwagen abzustellen, worauf er etwas genauer hingeschaut hat.«
»Garnets Wagen?« Faith war erschreckend blass geworden.
»Ich fürchte ja, Miss. Und sie war drin.«
»Tot?«
»Ja. Es tut mir Leid.«
Faiths Augen wirkten in ihrem bleichen Gesicht riesig. »Dann hat sie sich also umgebracht«, sagte sie, und Gemma hätte schwören können, dass in ihrer Stimme Erleichterung schwang.
»O nein«, entgegnete Greely, ohne den Blick von ihr zu wenden. »Ich habe den dringenden Verdacht, dass Miss Todd ermordet wurde.«
* 11
So ist es auch, wie wir hören, bei der Gemeinschaft von Avalon, einer Gruppe von Seelen, die von demselben religiösen Ideal erfüllt sind, das von den Benediktinermönchen in alter Zeit in architektonische Symbolik umgesetzt wurde.
Frederick Bligh Bond, aus:
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