07 Von fremder Hand
das unpassende Knurren seines eigenen Magens auf. Das Mittagessen hatte er glatt vergessen.
»Eins ist allerdings sonderbar«, bemerkte Greely sinnend und lieferte damit Kincaid eine willkommene Ablenkung von seinem Hunger. »Der Spaziergänger, der die Leiche heute Morgen gefunden hat, ist ein Typ namens Bram Allen - der Ehemann der Dame, die Winifred Catesby auf der Straße gefunden hat.«
Kincaid hob eine Augenbraue. »Zufall?«
»Er sagt, er macht den Spaziergang um den Tor jeden Tag, und vielleicht hat ihn das Erlebnis seiner Frau wachsam gemacht - das und die Fliegen, die um den Lieferwagen herumschwirrten.«
»Kannte er das Opfer?«
»Laut Mr. Allen kannte jeder in Glastonbury Garnet Todd. Die Frau war anscheinend eine echte Exzentrikerin.«
Doktor Lamb tauchte wieder auf; mit dem Hinterteil voraus kletterte er aus dem Lieferwagen. Er zog die Handschuhe aus, klopfte sich den Staub von den Knien und krempelte die Hemdsärmel herunter, bevor er sich von Greely seine Jacke geben ließ.
»So, Doc, jetzt haben Sie uns aber lange genug auf die Folter gespannt«, meinte Greely. Kincaid vermutete, dass die beiden ein eingespieltes Team waren.
»Nun ja.« Lamb schnippte sich einen kleinen Zweig vom Revers. »Ich würde sagen, dass sie seit mindestens zwölf Stunden tot ist, vielleicht auch um einiges länger, wenn man den Temperatursturz vergangene Nacht in Betracht zieht. Die Totenflecke sind deutlich ausgeprägt, aber es finden sich auch leichte Verfärbungen an anderen Stellen, die darauf hindeuten, dass sie möglicherweise nach ihrem Tod transportiert wurde. Ich kann keine Anzeichen für ein Sexualverbrechen erkennen.«
Anscheinend widerstrebend, als wisse er, dass es von ihm erwartet wurde, fragte Greely: »Todesursache?«
»Ja, das ist allerdings das Interessanteste bei der Sache. Es gibt Anzeichen einer Erstickung, aber keine Würgemale oder Striemen im Bereich von Kehle und Hals. Ich habe so meine Vermutungen, aber ich werde nichts weiter sagen. Sie werden die Autopsie abwarten müssen.«
Greely stöhnte. »Ich habe nicht den Eindruck, dass wir sehr viel weiter sind als vorher. Können wir die Leiche denn nun abtransportieren?«
»Mmh.« Der Doktor nickte. »Sagen Sie dem Pathologen, er soll mich mal anrufen, wenn er fertig ist,ja? Ich bin einfach nur neugierig.« Er wandte sich an Kincaid. »Bleiben Sie länger, Superintendent? Der Fall könnte interessant für Sie sein.«
»Bloß übers Wochenende«, antwortete Kincaid. Er schüttelte dem Arzt die Hand und sah zu, wie er wieder in seinen klapprigen Morris stieg und davontuckerte.
Greely gab den Assistenten des Gerichtsmediziners ein Zeichen, worauf diese die Leiche auf ein weißes Tuch legten, damit keine Spuren verloren gingen, und sie anschließend von einem Wagen zum anderen transportierten. Die Türen fielen mit metallischer Endgültigkeit ins Schloss, und der Leichenwagen fuhr ab. Die Spurensicherung war immer noch mit Garnets Lieferwagen beschäftigt, während zwei uniformierte Polizisten die Umgebung Zoll für Zoll durchkämmten.
Beiläufig wandte sich Kincaid an Greely: »Irgendwelche Spuren?«
»Nichts, gar nichts - bis auf die junge Dame, die Ihr Cousin Mr. Montfort offenbar bei sich aufgenommen hat. Wir müssen uns mit ihr unterhalten, je eher desto besser.«
»Haben Sie irgendwelche Anzeichen dafür entdeckt, dass Garnet Todds Fahrzeug in Miss Catesbys Unfall verwickelt war?«
»Einer der vorderen Kotflügel ist etwas verschmiert. Könnte sein, dass sie einer Hecke ein bisschen zu nahe gekommen ist. An Miss Catesbys Fahrrad waren nicht viele Kollisionsspuren zu finden, überwiegend Kratzer und Dellen vom Asphalt. Und Miss Catesby hatte keine blutenden Wunden -«
»Dann besteht also keine Hoffnung, am Fahrzeug Blutspuren zu finden«, meinte Kincaid grimmig. »Was ist mit Fasern?«
»Wir sehen gerade nach. Aber« - Greely zuckte mit den Achseln - »die Chancen sind gleich null, wenn Sie mich fragen. Und dann haben wir nichts in der Hand, was die beiden Vorfälle miteinander verbindet, bis auf die Geschichte des Mädchens.«
Kincaid fragte sich, ob es Gemma wohl gelungen war, Faith noch weitere Informationen zu entlocken, und dabei fiel ihm auf, wie schnell auch sie beide wieder in ihre gewohnte Routine verfallen waren.
So besorgt er um Winnie war, fühlte Jack sich dennoch verpflichtet, Simon Fitzstephen über Garnets Tod zu benachrichtigen
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