07 Von fremder Hand
in seinen Augen verriet sein Interesse. »Was musst du dafür tun?«
»Ich brauche nur Stift und Papier, und dann muss ich Zusehen, dass mein Kopf frei ist. Ich muss über irgendetwas Belangloses reden oder zuhören, wie jemand aus der Zeitung vorliest. Manchmal funktioniert es und manchmal nicht.«
»Dann versuchen wir es doch einmal. Ich werde dir assistieren.« Der Blick, den Kincaid seinem Cousin zuwarf, war herausfordernd. Gemma fragte sich, welchen Unfug die beiden wohl in den langen Sommern in Cheshire zusammen angestellt hatten.
Sie sah ihnen zu, wie sie sich gegenüber von ihr an den Tisch in Jacks mit Gerätschaften überladener Küche setzten, und hörte zu, wie Kincaid einen unverständlichen Artikel über irgendwelche Finanzdinge aus dem Guardian vorlas, während Jack entspannt dasaß und Stift und Papier bereithielt. Jack Montfort war kräftiger als sein Cousin, er hatte einen helleren Teint und gröbere Gesichtszüge, aber wenn man genau hinsah, erkannte man die Ähnlichkeit. Was noch offensichtlicher zu Tage trat, war die Ungezwungenheit ihres Umgangs, der Eindruck von erprobtem gegenseitigem Vertrauen und bewährter Kameradschaft. Und der Mann wirkte zweifellos vernünftig und ausgeglichen, trotz all seiner Sorgen und Probleme. Konnte diese bizarre Geschichte, die er ihnen erzählt hatte, denn tatsächlich wahr sein?
Kincaids Stimme und ihre eigenen abschweifenden Gedanken hatten sie eingelullt, und so fuhr Gemma heftig zusammen, als Jacks Kugelschreiber sich plötzlich über das Papier zu bewegen begann. Er schrieb ohne Pause und ohne auf das Blatt zu schauen. Seine halb geschlossenen Augen schienen irgendeinen fernen Punkt zu fixieren.
Nachdem er mehrere Seiten voll geschrieben hatte, legte er den Stift nieder. »Es hat geklappt, wie ich sehe«, sagte er und blickte auf die verstreuten Blätter herab.
»Sie meinen, Sie wissen gar nicht, was Sie geschrieben haben?«, fragte Gemma.
»Ich denke, auf einer gewissen Ebene ist es mir bewusst, aber ich kann es nicht verarbeiten - es ist wie atmosphärisches Rauschen in einem Radio.«
Kincaid tippte auf eines der Blätter. »Was steht denn da nun?«
»Ich muss erst übersetzen, also habt bitte ein wenig Geduld ...
»O Herr, vergib mir, denn ich habe mich schwer versündigt gegen Dich. Sind die Tage meiner Fleischeslust auch nicht mehr als eine ferne Erinnerung, so spüre ich doch noch immer ihre Haut, zart wie Gänsedaunen, und die runde Fülle ihrer Brüste...«
Jack brach stirnrunzelnd ab und räusperte sich. Gemma fand es sympathisch, dass er ein wenig rot geworden war.
»Alys war ihr Name, erst sechzehn und doch schon eine Frau; sie war die Tochter eines Steinmetzen, der gekommen war, die Schäden an der Kirche zu reparieren. Sie fand Gefallen an mir und wartete auf mich, wenn ich zum Brunnen ging. Der Worte wurden wenig gewechselt zwischen uns... wir kamen zusammen in Triebhaftigkeit und Lust, wie das Vieh es tut.
Die Arbeit war vollendet, da fand Alys, dass sie ein Kind unter ihrem Herzen trug. Sie bat mich flehentlich, ihr Kräuter zu geben... Zu meiner Schande tat ich ihr den Willen... um meiner Feigheit und meiner Lust willen habe ich uns alle ins Unglück gestürzt...
Bei Bruder Ambrosius, der sich meiner angenommen hatte, stahl ich das benötigte Elixier. Dazu gab ich ihr, was mir das Kostbarste war... ein Band zwischen uns, das stärker war als der Tod. Dann gingen Alys und ihr Vater fort von der Abtei. Solche Trauer hatte ich noch nie gekannt; sie fesselt mich noch immer an diesen Ort...
Jack starrte die anderen mit großen Augen an. »Diese Frau - Alys - sie wollte ihr Baby abtreiben. Glaubt ihr nicht auch, dass er darauf hinauswill?«
Gemma, die von der Geschichte des Mädchens und der Zwangslage, in die es geraten war, extrem bewegt war, sagte: »Es - es wäre durchaus möglich, denke ich. Sie waren damals sehr geschickt im Gebrauch von Kräutern, und die Position des Mädchens wäre schließlich unhaltbar gewesen, nicht wahr? Edmund hätte sie nicht heiraten können.«
»Ich vermute, man hätte es so interpretiert, dass sie sich auch gegen die Kirche versündigt hatte, indem sie Edmund verführte, und nicht etwa umgekehrt«, gab Kincaid zu bedenken.
»Aber wenn Alys es sich nun anders überlegte? Oder wenn die Kräuter vielleicht nicht wirkten?«, fragte Jack. »Wir haben monatelang nach einer verwandtschaftlichen Beziehung gesucht - vielleicht durch
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