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kapier's einfach nicht", sagte ich schließlich.
„Was?"
„Wenn so etwas Schlimmes passiert, sollte man eine Lehre 113
daraus ziehen können. Sieh nach rechts und nach links, bevor du über die Straße gehst. Sei nett zu Kindern und Tieren. So etwas in der Art. Irgendeine Lehre. Aber diese vielen Todesfälle, diese Verschwendung, wozu war das gut?"
Sinclair schwieg so lange, dass ich anfing zu glauben, ich hätte ihn - was selten genug passiert! - aus der Fassung gebracht. Aber er dachte lediglich darüber nach, wie er mir die nächste schlechte Nachricht am besten beibringen konnte.
Ich hätte es wissen müssen ..
„So ist das, wenn man Königin ist", sagte er endlich. „Es werden Zeiten kommen, da wirst du Meere von Blut und Verzweiflung sehen. So sagt es Das Buch der Toten und so soll es sein, meine liebe Frau."
„Na, du kannst einen ja vielleicht aufmuntern! Willst du mir damit sagen, dass es noch schlimmer kommt?" Wenn ich behauptete, ich sei entsetzt gewesen, wäre das noch untertrieben. „Was hast du noch in diesem vermaledeiten Buch der Toten gelesen?"
Er ließ sich Zeit mit der Antwort. Dann sagte er: „Elizabeth, ich kann dir nichts versprechen, außer, dass ich immer an deiner Seite sein werde."
Dass er meine Frage nicht beantwortet hatte, entging mir nicht. „Meere von Blut", sagte ich.
„Möglicherweise. Ja."
„Das werden wir ja sehen."
„Elizabeth, wenn das Bild in unserem Fall nicht so abgeschmackt wäre, würde ich sagen: Nimm den Mund nicht zu voll."
„Das Motto könnte für mein ganzes Leben gelten, seitdem ich in einem Beerdigungsinstitut aufgewacht bin, mit Ants Schuhen an den Füßen. Meere von Blut? Da scheiße ich drauf. Und zwar kräftig."
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Ich hatte keinen blassen Schimmer, was ich jetzt tun oder wie ich es tun sollte.
Aber ich würde alles daransetzen, dass meine Freunde und ich eine Woche wie diese nicht noch einmal durchleben müssten.
Es hörte sich vielleicht dumm an, aber ich hätte schwören können, dass die leere Wiege im Zimmer nebenan meinen Namen rief. Ich würde meinen Bruder nicht mehr an andere Leute abschieben.
Ich fragte mich, ob Ant ihn jemals besucht hatte.
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Einen Tag später bereiteten wir Garrett ein würdevolles Begräbnis. Sinclair besaß mehrere Farmen und ausgedehnte Ländereien; zusammen mit Alice'
Leiche konnten wir jetzt schon einen kleinen Privatfriedhof an der Route 19
aufmachen. Ein furchtbarer, aber zugleich auch interessanter Gedanke.
Die Leiche des Polizeichefs hatte man in seiner Wohnung gefunden; anscheinend hatte er Selbstmord begangen. Zahlreiche Cops gaben zu Protokoll, dass er wegen des bevorstehenden Ruhestands sehr deprimiert gewesen sei, aber professionelle Hilfe verweigert habe.
Sehr deprimiert. Von wegen! Sie alle hatten ja nicht die geringste Ahnung.
„Ich muss Antonias Rudelführer sagen, was passiert ist. Sie sollten wissen, wie sie gestorben ist, wie . . wie wundervoll sie war. Das haben sie verdient.
Ich hatte den Eindruck, dass ihr Rudel sie nie wirklich gemocht hat, ihr nicht?"
Die anderen nickten. Natürlich wussten wir alle Bescheid. Ihre Fähigkeit, die Zukunft vorauszusagen (und ihre Unfähigkeit, sich in einen Werwolf zu wandeln), war den anderen Werwölfen unheimlich gewesen. Sie waren froh gewesen, als sie das Rudel verlassen hatte. Und als ich ihr „geholfen" hatte, hatte es mir viel bedeutet, dass sie nicht sofort zurück nach Hause gerannt war. Sie hatte sich dafür entschieden, an meiner Seite zu bleiben, auch wenn es nicht immer einfach war.
Ich schluckte ein- . . zweimal. Nein, ich hatte genug geweint.
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„Ich will, dass sie erfahren, wie sie mich gerettet hat. Hoffentlich können sie uns sagen, wie man ihre . . das, was von ihr übrig ist, beerdigt."
Die arme Antonia lag nämlich zurzeit in unserer Tiefkühltruhe, bis ich mehr über die Totenrituale der Werwölfe herausgefunden hatte. Die Aussicht, dem Werwolfboss sagen zu müssen, dass ich den Tod eines seiner Rudelmitglieder verschuldet hatte, war nicht gerade angenehm. Michael Wyndham war bekannt für sein aufbrausendes Temperament und seine harte Linke. Aber es musste sein.
Jessica schwieg und goss sich nur eine weitere Tasse ein. Letzte Nacht hatte ich ihr von meinem Plan erzählt - ein schwacher Versuch, sie nach der Trennung von Nick auf andere Gedanken zu bringen. Ich hatte ein ungeheuer schlechtes Gewissen, weil sie sich für mich anstatt für ihn entschieden hatte.
Aber natürlich hätte ich mich noch viel
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