070 - Neues vom Hexer
und verband ihn, und Masjik schaute ihn mit fieberglänzenden Augen an.
»Mein Vater ist der Scheich eines kriegerischen Stammes, und ich könnte die Schande nicht überleben, wenn du mich gefangennähmst. Deshalb erbitte ich von dir die eine Gnade, mich zur Stadt meines Vaters zu bringen. Ich gebe dir mein Ehrenwort, daß ich in diesem Kriege nicht mehr gegen dein Volk kämpfen werde. Dasselbe gilt auch für alle Angehörigen meines Stammes.«
Milton sprach arabisch, als ob es seine Muttersprache sei, und er brachte die unmöglichsten Dinge fertig. Eigentlich durfte er den Wunsch des Beduinen nicht erfüllen, wenn er nicht gegen die strikten Befehle seiner Vorgesetzten verstoßen wollte, aber er zögerte keinen Augenblick, den Mann zu retten. Er trug ihn in sein Flugzeug, flog etwa zweihundertfünfzig Kilometer und landete in der Nähe der von hohen, weißen Mauern umgebenen Stadt Khor.
»Komm zu mir, wenn dieser Krieg zu Ende ist«, sagte Ibn el Masjik beim Abschied. »Und wenn die ganze Welt gegen dich ist, werde ich für dich sein. Wenn du arm bist, werde ich dich reich machen, und die Stadt meines Vaters soll dir gehören.«
Diesmal sprach er englisch, denn in seiner Jugend war er in Bournemouth erzogen worden. Sein Vater war sehr reich und der westlichen Kultur gegenüber aufgeschlossen.
Einige Jahre später, als Henry Arthur Milton hart von seinen Gegnern bedrängt wurde, erinnerte er sich an dieses Versprechen und weilte sechs Monate als Gast bei Ibn el Masjik, dessen Vater inzwischen gestorben war. Er lernte das Leben und die Verwaltung dieser arabischen Stadt kennen.
Ihre weißen Mauern erhoben sich am Rand der Wüste, und die Zeit schien hier stillzustehen. Raubzüge wurden unternommen, und die Krieger kehrten unter dem Jubel der Bevölkerung mit reicher Beute und Scharen von Sklaven zurück. Milton sah, daß Männer und Frauen auf dem Markt verkauft wurden. Das Leben hatte sich wenig verändert, seit Mahomets Onkel Herr und Beschützer der Kaaba war und die Schüler des Propheten in Medina beteten.
Eines Abends sprach der Hexer mit seinem Gastfreund darüber, und Ibn el Masjik lächelte. Er warf seine halbaufgerauchte Zigarette in eine silberne Schale, steckte sich eine neue an und lehnte sich bequem in seine Kissen zurück.
Sie saßen in dem großen Speisesaal des Palastes, dessen Wände nur weiß getüncht, aber mit prachtvollen Teppichen behängt waren.
»Mein Freund«, begann Ibn el Masjik, »es ist ein weiter Weg nach Bournemouth. Sklaverei ist nur eine Bezeichnung für menschliche Dienste. Und ich weiß nicht, ob die Menschen hier in Khor als Sklaven unglücklicher leben als die Leute in Nordengland, wo Männer und Frauen schon morgens vor Sonnenaufgang ihre Betten verlassen, wenn die Sirenen heulen, und durch Regen und Sturm zu den Gefängnissen gehen, die sie Fabriken nennen. Meine Sklaven werden jedenfalls besser behandelt. Sie leben in Sonne und Licht, sie erhalten gute Nahrung, und sie schlafen in eigenen Häusern.«
Er sprach vollkommen offen über den Sklavenhandel. Von seinem Gebiet aus konnte er leicht einen kleinen Hafen am Roten Meer erreichen und dort, direkt unter den Augen der Beamten, Handwerker und Künstler kaufen.
»Aber ich kann nicht alles bekommen, was ich möchte«, erklärte er. »Meine Frauen wollen einen ganz besonderen Mann haben, der ihnen die Haare modern frisiert, aber ich kann ihn nicht finden.« Er seufzte schwer. »Ja, die Gewohnheiten des Westens und ihre Moden kommen auch zu uns.«
Er zuckte die Schultern, legte sein weites, faltiges Seidengewand zurecht und lächelte nachdenklich.
»Ich habe ja auch nichts dagegen. Die neuen Moden haben viel für sich und gefallen mir ganz gut. Du hast wohl gesehen, daß wir uns von fast allen Stämmen der Umgebung dadurch unterscheiden, daß unsere Frauen nicht verschleiert gehen und frei wählen können.«
Milton kehrte wieder nach Westeuropa zurück, aber er blieb in ständiger brieflicher Verbindung mit seinem Freund, und er wußte, daß Khor eine endgültige Zufluchtsstätte für ihn war, wenn alles schiefging. In Scotland Yard vermutete man, daß Henry Arthur Milton viele Asyle hatte, aber man kannte sie nicht.
In einer Vorstadt von Cannes zum Beispiel besaß er eine Villa, die sich sehr gut für seine Zwecke eignete. Er konnte von dort aus unbemerkt und schnell verschwinden. Auch in Tanger hatte er eine kleine Wohnung gemietet, von der aus er das Meer überschauen konnte. Und außerdem gehörte ihm ein
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