070 - Neues vom Hexer
derartige Angelegenheiten sehr ernst, denn er beklagte sich dauernd über den Verfall der Moral. Und seine Braut liebte ihn zwar, aber wenn sie von dieser Affäre erfuhr, würde sie sicher sofort die Verlobung lösen.
All dies fiel ihm schwer auf die Seele. Er wurde bleich und nervös und stellte schließlich den Scheck in der gewünschten Höhe aus. Lou hielt ihn noch so lange in der Wohnung zurück, bis die Zofe das Geld von der Bank geholt hatte.
In der Zwischenzeit sagte er ihr, was er von ihr hielt, aber sie wußte bereits auswendig, was Männer in einem derartigen Fall zu sagen pflegen, und gab sich keine weitere Mühe, seine erregten Worte anzuhören.
Sie hielt es auch nicht für der Mühe wert, ihren eigenen Standpunkt ihm gegenüber zu vertreten und ihre Handlungsweise zu rechtfertigen. Ihrer Meinung nach waren die Männer geborene Räuber und Banditen, die rücksichts- und skrupellos die Ehre der Frauen zerstörten. Sie wollte deshalb ihr Geschlecht an den Männern rächen. Aber das hatte sie schon so oft gesagt, daß es ihr zu langweilig wurde.
»Ja, Sie sind in einer verteufelt unangenehmen Lage«, meinte sie schließlich. »Wenn Sie wollen, können Sie ja zur Polizei gehen oder sich an den Hexer wenden. Der nimmt sich ja immer der bedrängten Unschuld an. Ich würde ihm doch zu gern einmal begegnen!«
Nach einer Weile kam die Zofe wieder, und Mr. Bayford wurde entlassen.
Mr. Bayford wankte auf die belebte Straße hinaus und ging ziellos nach Westen zu. An wen sollte er sich in seiner Not wenden? An seinen Vater?
Er schauderte bei diesem Gedanken. Ebensowenig Verständnis würde er bei Lord Rendlesham und seiner Tochter finden. Nein, zu diesen Leuten konnte er nicht gehen.
»Hallo, wie geht es Ihnen, Mr. Bayford?« fragte ihn plötzlich jemand.
Er wandte sich verwundert um und starrte den Mann an, der freundlich die Hand auf seinen Arm legte.
»Ach, Mr. Marksen! Wie ist es Ihnen denn nach Ihrem Unfall ergangen? Hoffentlich haben Sie sich keine Erkältung geholt?«
Eine schwache Hoffnung tauchte in ihm auf. Vielleicht konnte ihn dieser Mann retten. Wenn man kostspielige Expeditionen ausrüstete, mußte man doch über ein großes Vermögen verfügen. Solche Leute hatten manchmal unheimliches Glück und fanden in versunkenen Städten Goldschätze. Mr. Marksen trug allerdings einen nicht gerade sehr eleganten Golfanzug, und auch seine Pfeife sah ziemlich alt aus. Außerdem hatte er sich in der letzten Zeit einen kleinen, blonden Schnurrbart wachsen lassen. Aber darin hatte Mr. Bayford unrecht. Mr. Marksen hatte auch schon vor dem Unfall einen kleinen Schnurrbart getragen, nur hatte er ihn bei dem unfreiwilligen Bad im Chausseegraben verloren.
»Sagen Sie, sind Sie nicht eben aus Lethley Court gekommen? Jemand hat mir noch vor ein paar Tagen gesagt, daß eine – bekannte Abenteuerin dort wohnt . eine Dame… na, mich geht die Sache ja nichts an.«
Bayford sah ihn verstört an.
»Eine – eine Dame?« fragte er mit stockender Stimme.
»Ja, wenn Sie sie so nennen wollen. Einer meiner Freunde ist wegen einer verhältnismäßig harmlosen Torheit in große Schwierigkeiten geraten. Glücklicherweise konnte ich ihm helfen. Aber das interessiert Sie sicher nicht .«
Bayford war nicht nur interessiert, sondern direkt fasziniert. »Kommen Sie doch bitte mit zu mir«, sagte er dringend.
Mr. Marksen schaute auf seine Uhr und zögerte, bevor er zustimmte.
Bliss hatte wirklich recht, wenn er behauptete, daß der Hexer sich nicht nur verkleidete, sondern tatsächlich im Augenblick der Mann war, dessen Rolle er spielte. Seine unermüdlichen Nachforschungen hatten ihn auch auf Lous Spur gebracht. Er hatte vor dem Eingang von Lethley Court gestanden, als sie und ihr letztes Opfer vorfuhren. Da er aber ihre Methoden noch nicht genau kannte, hatte er die Zofe nicht beachtet, die fortging, um den Scheck zu kassieren. Als er jedoch Bayford blaß und verstört aus dem Haus kommen sah, wußte er, was geschehen war. Merkwürdigerweise erkannte er erst dann den jungen Mann wieder, der ihm vor einiger Zeit das Leben gerettet hatte.
Bayfords Wohnung lag in der Nähe, aber er begann erst zu erzählen, als sie sich im Wohnzimmer gegenübersaßen.
»Es ist mir etwas Unglaubliches passiert«, sagte er verzweifelt. »Ich habe mich in eine ganz gemeine Falle locken lassen – natürlich werden Sie denken, ich sei ein durchtriebener Gauner, aber ich schwöre Ihnen, daß ich nicht die leiseste Ahnung hatte, als ich die
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