070 - Neues vom Hexer
sagen konnte, öffnete sich die Tür weiter. Offenbar hatte Bliss schon draußen gewartet. Er sah von Lou zu dem tadellos gekleideten Fremden.
»Ich möchte nicht stören, Miss Makala. Was wir zu besprechen haben, ist nicht so eilig.«
»Aber bitte, treten Sie doch näher«, erwiderte der Hexer höflich. »Ich wollte sowieso gehen.«
»Bleiben Sie hier«, befahl sie. Sie stand jetzt dicht am Kamin und konnte den Browning herausziehen, wenn Bliss hereintrat und zwischen ihnen durchging.
Der Hexer zuckte leicht die Schultern. »Ganz wie Sie wünschen…«
Chefinspektor Bliss grüßte ihn durch eine leichte Verbeugung.
Auch Milton verbeugte sich.
»Es ist ein glücklicher Zufall, daß ich Sie hier treffe«, meinte er, »denn ich möchte Sie in einer schwierigen Sache um Rat fragen. Ich kenne eine alte Dame, die in einer schönen Villa in Devonshire lebt. Sie glaubt, daß ihre Tochter mit dem berühmten Filmstar Stella Maris identisch ist. Aber das stimmt nicht. Ich frage Sie nun: Sollte man die alte Dame nicht besser aufklären und ihr sagen, ihre Tochter ist . nun, was sie eben ist?«
Lou war kreidebleich geworden und setzte sich nieder.
»Ich weiß nicht, was mich das angehen sollte«, erwiderte Bliss unhöflich, wandte sich dann an Lou und sprach leise mit ihr. »Miss Makala, ich wollte nur von Ihnen hören, ob Sie jemals einen gewissen Mr. Marksen getroffen haben?«
Er beschrieb ihr den Mann kurz, aber sie verneinte.
»Die Polizei ist davon überzeugt, daß er der Hexer ist. Er hat in der letzten Zeit Nachforschungen nach Ihnen angestellt. Kennen Sie vielleicht einen Privatdetektiv dieses Namens?«
»Nein«, entgegnete sie entschieden.
Bliss wandte sich nach dem anderen Herrn um, der vor dem Spiegel stand und sich betrachtete.
»Wer ist das eigentlich?« fragte er leise.
»Der Marquis de Crevitte-Soligny«, erwiderte sie nach einer kurzen Pause. »Ich kenne ihn schon seit mehreren Jahren.«
Bliss gab ihr noch einige Instruktionen, was sie tun solle, wenn Mr. Marksen bei ihr Besuch mache, aber sie hörte kaum zu.
Kurz darauf verabschiedete sich der Chefinspektor, und die Haustür fiel hinter ihm ins Schloß.
»Also, jetzt wären wir soweit«, sagte der Hexer liebenswürdig. »Ich möchte Sie bitten, mir einen Scheck über zehntausend Pfund zugunsten Mr. Bayfords auszustellen.«
»Und wenn ich das nicht tue?«
Er sah ihr lächelnd ins Gesicht.
»Dann zwingen Sie mich dazu, zu Ihrer Mutter zu gehen und ihr einmal reinen Wein über Ihr Gewerbe einzuschenken«, erwiderte er höflich. »Sie wird sich ja gerade nicht sehr darüber freuen, wenn sie erfährt, daß Sie kein Filmstar, sondern eine ganz gemeine Erpresserin sind.«
Er hatte sie scharf angesehen und wußte, daß er das Spiel gewonnen hatte. Er hatte entdeckt, wie er die Erpresserin erpressen konnte.
»Es ist doch merkwürdig«, sagte Bliss, »daß sich Lou plötzlich vom Geschäft zurückgezogen hat. Sie hat all ihre Häuser und Besitzungen verkauft und wohnt jetzt irgendwo in Devonshire. Ich wette, sie hat Angst vor dem Hexer bekommen!«
9
DER SCHWEIZER OBERKELLNER
Der Hexer hatte einen eigentümlichen Charakter. Er war anderen Leuten gegenüber hilfsbereit, aber er half stets auf eine eigene Weise. In Scotland Yard hielt man ihn für eitel und hoffte immer, ihn eines Tages dadurch zu fangen. Stets hatte er darauf reagiert, wenn sein Name direkt genannt wurde. Nur Chefinspektor Bliss teilte die Ansicht der anderen Beamten nicht.
Die drei Verbrecher Lijah Hollander, Grab Sitfort und Lee Morane arbeiteten zusammen. Der alte Lijah hatte ein durchfurchtes Gesicht; Grab war von großer Gestalt und zeigte ein offenes, gewinnendes „Wesen. Er hatte bereits weiße Haare und gab sich als Farmer aus Alberta aus. >Dr.< Morane war ein ungeschlachter Mensch mit abstoßendem Äußeren und schlechten Manieren. Ob er überhaupt jemals auf der Universität einen Grad erworben hatte, wußte man nicht, aber auf jeden Fall verstand es niemand besser als er, die Karten zu mischen. Er war der Führer der Bande und übernahm in Streitfällen eine ganz besondere Aufgabe. Der kleine, schmächtige Lijah Hollander war wie Grab äußerst liebenswürdig. Aber der Doktor wurde sofort unleidlich, wenn eines ihrer Opfer auch nur die leiseste Andeutung machte, daß das Spiel nicht ehrlich sei.
Mr. Bliss hatte schon häufig geäußert, daß der Hexer seiner Meinung nach den besten Nachrichtendienst in ganz Europa organisiert habe, aber seine Verbindungen
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