0700 - Assungas Zaubermantel
Gewalt wollte er an die Person herankommen, sondern durch List und Tücke.
Marek bewohnte noch immer das alte Haus mit dem kleinen Anbau daneben, in der sich eine Schmiede und Reparaturwerkstatt befanden. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, führte er zahlreiche Arbeiten durch. Er beschlug ein Pferd ebensogut, wie er es schaffte, eine alte Küchenmaschine wieder heil zu machen.
Und er besaß ein Telefon, was für die Bewohner von Petrila, der kleinen Stadt in den Karpaten, nicht selbstverständlich war. Davon träumten beinahe alle, bis auf den Bürgermeister, den Polizisten und natürlich Marek.
Er saß hinter seinem alten Schreibtisch, gestand sich zu, lange genug nachgedacht zu haben, holte ein zerfleddertes Notizbuch hervor und blätterte darin.
Viele Namen hatte er hineingeschrieben, auch die seiner Freunde aus London, aber auch Telefonnummern von Leuten, die etwas zu sagen hatten und die entsprechende Verbindungen besaßen.
Marek blätterte es durch und fand schnell die Nummer eines Mannes, der in Kronstadt lebte. Er hieß Erich Latic und war Rumänien-Deutscher.
Ein Mann, der gute Verbindungen besaß, der ein Ohr für gewisse Vorfälle besaß, was gerade eine gewisse düstere Region anging, die sich Transsylvanien nannte.
Bis Kronstadt zu telefonieren, klappte fast immer. Auch jetzt kam Marek schon beim ersten Versuch durch. Wieder stand ihm das Glück des Tüchtigen zur Seite, denn Erich Latic meldete sich.
Dessen Stimme hatte sich brummig angehört, heiterte aber auf, als Erich hörte, wer etwas von ihm wollte.
»Himmel, du bist es, Frantisek! Ich hatte schon gedacht, daß irgendein Bonze etwas von mir wollte.«
»Nein, Erich.«
Latic lachte. »Wenn du anrufst, kann es auch gewisse Probleme geben.«
»Schon. Die sind allerdings zu lösen.«
»Dann laß hören.«
Marek wußte, daß Latic so etwas wie ein hoher Verwaltungsbeamter war und gleichzeitig ein Polizeioffizier. Den genauen Titel hatte er nie herausgefunden, wollte Marek auch nicht. Für ihn war wichtig, daß er mit Erich zusammenarbeiten konnte.
Zudem war Latic kein Schwätzer. Wenn er etwas zusagte, wenn er etwas versprach, dann hielt er auch Wort.
Sehr genau hörte er zu, was ihm Marek zu sagen hatte, brummte hin und wieder etwas in den Hörer und holte letztendlich tief Luft, als Marek seinen Wunsch vorgetragen hatte.
Der alte Vampirjäger hatte nicht zuviel verraten, da war er raffiniert, schließlich wollte er keine Pferde scheu machen. Latic hatte aber auch so begriffen.
»Du suchst also eine Frau, von der du nicht weißt, wie sie aussieht. Habe ich recht?«
»So ist es. Eine Fremde, Erich.« Marek wechselte den Hörer in die linke Hand. »Sie kann durch irgend etwas aufgefallen sein, ohne selbst in Erscheinung getreten zu sein.«
»Verstehe.«
»Ist denn in den letzten Tagen etwas Ungewöhnliches passiert, für das ihr keine Erklärung habt?«
Der Atem des Mannes klang laut an Mareks Ohr, und der wiederum besaß ein gutes Gehör und auch Gespür.
»Da war was, nicht?«
»Kann man sagen.«
»Und was, bitte?«
Erich Latic räusperte sich. »Das kann ich dir schlecht sagen, mein Freund, wirklich. Ich… ich darf nicht. Mir sind die Hände gebunden und die Lippen verschlossen.«
»Auch mir gegenüber?«
»Jedem.«
»Dann muß es schlimm gewesen sein.«
Latic gab keine Antwort, aber Marek wollte etwas erfahren und fing damit an, seine psychologischen Tricks auszuspielen. Außerdem malte er eine Bedrohung in den Raum, über die Erich Latic einfach nachdenken mußte und sie nicht so einfach von der Hand weisen konnte.
»Wenn es sich um Kräfte handelt, gegen die normale Ermittlungen nicht ausreichen, Erich, solltest du mich ins Vertrauen ziehen, denn dieser Fall ist möglicherweise nicht auf unser Land beschränkt. Er hat längst internationale Kreise gezogen.«
»Wie meinst du das denn?«
»Ich denke da an England. Aus London habe ich eine Warnung meiner Freunde bekommen. Du weißt ja, wer sie sind.«
»Klar, davon hast du mal erzählt.« Latics Stimme klang gequält. Er machte sich große Sorgen, er war durcheinander und wußte nicht, was richtig oder falsch war.
»Es können übersinnliche Kräfte ihre Hände mit im Spiel haben, Erich. Ich will ja nicht schwarzmalen, aber ich frage dich trotzdem, ob dieser Vorgang, den ich nicht kenne, etwas Unerklärliches an sich gehabt hat. Etwas, das für euch ein großes Rätsel ist. Das kannst du ja zugeben, mein Freund.«
»Stimmt, du hast recht.«
»Dann sag es!«
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