0700 - Assungas Zaubermantel
daß an einigen Pfählen noch helle Flecken vorhanden waren. Beim näheren Hinschauen erkannte die Hexe, daß es sich dabei um Knochen handelte, die sich nach dem Tod der Menschen nicht gelöst und auf den Schachtgrund gerutscht waren, sondern an den Pfählen festhingen.
Dieser Ort war sehr wichtig gewesen, der Blutgraf hatte ihn genossen, aber daran wollte die Hexe nicht mehr denken. Sie interessierte sich einzig und allein für den Mantel.
Sie mußte ihn haben!
Nur wenn sie dieses alte Kleidungsstück besaß, konnte sie dem neuen großen Vampir Mallmann unter die Augen treten und so etwas wie eine Gleichwertigkeit erringen.
Bisher hatten sie ihr Gefühl und der Instinkt nicht getrogen. Sie war auf der richtigen Fährte gewesen, sie würde auch weiterhin suchen und ließ sich jetzt auf die Knie nieder, damit sie noch näher an den Schachtrand herankommen konnte.
Dann beugte sie den Kopf vor. Der Boden besaß einen feuchten Glanz. Wasser hatte sich auf ihm gesammelt, kleine Pfützen gebildet, über denen Insekten tanzten.
Auch fette Käfer krabbelten über den Boden. All das gehörte dazu, aber nicht der glänzende und wie ausgebreitet wirkende Fleck an der anderen Seite des Schachts.
Das war kein Wasser, das war auch keine Feuchtigkeit, das war überhaupt nichts in der Richtung.
Assunga fand einen anderen Begriff dafür.
Stoff!
Vielleicht mit einem Lederbesatz versehen, um ihn haltbar zu machen. Und ein Mantel bestand eben aus Stoff. Daran hatte sich in all den Jahrhunderten nichts geändert.
Ihre Augen weiteten sich, ohne daß sie es merkte. Sie atmete schneller, zischend, fast wie eine alte Dampflok.
Ja, dachte sie… ja, ich werde ihn bekommen. Ich werde mir einen genügend langen Ast besorgen und den Mantel des Blutgrafen aus der Grube angeln. Und dann würde sie ihn überziehen, um …
Ihre Gedanken wurden Unterbrochen, denn in ihrem Rücken hatte sie ein Geräusch gehört.
Ein ungewöhnliches Rascheln, begleitet von einem leisen, aber dumpfen Pochen.
Als würden Füße auf den Boden gesetzt.
Sie schnellte hoch und drehte sich um.
Vor ihr standen drei Wölfe!
***
Frantisek Marek, von vielen Menschen auch der Pfähler genannt, hatte den Hörer aufgelegt und konnte einen Jubelschrei nicht unterdrücken. In diesen Augenblicken war er überaus glücklich. Endlich hatte er wieder etwas von seinen Londoner Freunden gehört und, was noch wichtiger gewesen war, sie brauchten seine Hilfe. Sie wollten, daß er ihnen zur Seite stand und etwas für sie in die Wege leitete, auch wenn es nicht einfach war, aber davor würde er nicht zurückschrecken.
Er wurde gebraucht, wieder einmal, und er stand auf, holte aus der Schublade seinen Eichenpflock hervor und strich mit zarten Bewegungen über das Holz, während seine Augen einen Glanz bekamen, der an Kampfeslust erinnerte.
Schon immer hatte Marek Vampire gejagt und auch nicht immer Siege errungen. Es war den Blutsaugern gelungen, seine Frau zu einer ihrer Bräute zu machen, und es hatte ein John Sinclair kommen müssen, um sie von ihrem Schicksal zu erlösen.
In der Zeit danach hatte Marek schwer gelitten, aber er hatte es auch geschafft, sich wieder aufzuraffen und den Kampf gegen die Blutsauger erneut aufzunehmen. Diesmal noch härter und stärker.
Es war ein Kampf ohne Ende, das wußte er. Die Vampire würden ihn überleben, doch er nahm sich vor, so viele wie möglich zu vernichten, bevor er sich von dieser Welt verabschiedete.
Diesmal ging es um eine Frau, die keine Vampirin war, sondern eine ins Land eingedrungene Fremde, die möglicherweise Spuren hinterlassen hatte, ohne selbst dabei großartig in Erscheinung zu treten oder aufzufallen.
Eine normale Person war sie nicht, sonst hätte sich nicht John Sinclair mit ihr beschäftigen müssen. Und eine Hexe oder jemand, der mit schwarzmagischen Mächten in Verbindung stand, würde dies möglicherweise beweisen wollen, schon allein, um seinem eigenen Ego gerecht zu werden.
So etwas hinterließ Spuren.
Obwohl das Regime gestürzt worden war und andere die Regierungsgewalt übernommen hatten, waren alte Seilschaften und Kanäle neu geknüpft oder wieder gereinigt worden. Es gab zwar nicht mehr den gefährlichen Geheimdienst Securitate, aber andere Dienste arbeiteten ähnlich.
Frantisek Marek war nicht auf den Kopf gefallen. Der grauhaarige Vampirjäger mit dem faltigen Gesicht, der manchmal an den älter gewordenen Charles Bronson erinnerte, hatte sich bereits einen Plan zurechtgelegt. Nicht mit
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