0703 - Die Insel des Kopfjägers
Unbehagen, das sich zudem von Minute zu Minute noch verstärkte.
Das Haus warf einen Schatten. Ich roch das Holz der Frontseite, sah auch die Tür mit der alten Klinke und probierte, ob der Eingang verschlossen war.
Er war es nicht.
Die Tür ächzte in den Angeln, als ich sie aufzog. Sie waren verrostet, eine Folge der rauhen Seeluft.
Auch das Holz sah fast überall bleich und zerfressen aus.
Ein rauhes Klima, zu dem die Stille des Hauses so gar nicht passen wollte, als ich eintrat.
Stille und auch Düsternis, denn die kleinen, viereckigen Fenster waren verhängt worden.
Der Boden bestand aus Holzbohlen. Sie meldeten sich, als sie mein Gewicht spürten.
Ich kam in eine Küche.
Sehr groß war sie. Alte, gezimmerte Holzmöbel, eine wuchtige Bank, ein mächtiger Ofen und eine offene Feuerstelle. Regale mit Geschirr, ein großes Waschbecken, über dem ein roter Schlauch hing, der an einem Wasserkran befestigt war. Und der tropfte…
Ein ungewöhnliches Haus…
Ein Totenhaus?
Gewettet hätte ich darauf nicht, aber es war schon mehr als seltsam, denn es machte auf mich einen völlig ausgestorbenen Eindruck. Als wäre es von den Bewohnern verlassen worden, allerdings auf eine schreckliche Art und Weise, durch den Tod.
Das leichte Prickeln floß über meinen Rücken, als ich mich drehte und mich einer Tür zuwandte, die neben dem offenen Kamin lag und wohl zu den anderen Räumen führte.
Das Haus war nur so hoch gebaut worden, daß eine normale Treppe nicht nötig war.
Vier Stufen reichten aus, an die sich ein Gang anschloß, durch den ich die anderen Räume erreichen konnte.
Ich wußte sofort, wo sich das Schlafzimmer befand, denn an der Tür hing eine Figur, die einen Mann und eine Frau zeigte, die in einem breiten Bett lägen. Beide trugen Zipfelmützen und hatten gerötete Gesichter.
Möglicherweise schliefen die Leute noch. Deshalb klopfte ich als höflicher Mensch an. Ich wollte nicht unbedingt irgend jemand aus dem Schlaf reißen.
Eine Antwort bekam ich nicht.
Deshalb hatte ich auch kein schlechtes Gewissen, als ich die Tür öffnete.
Auch sie quietschte. Und dieses Geräusch hätte einen Schlafenden bestimmt geweckt, aber es war keine Person, da, die schlief.
Statt dessen wären sie tot.
Jemand hatte ihnen die Köpfe abgeschlagen!
***
Ich stand unbeweglich, preßte meine Hand vor die Lippen und kam mir vor wie in einem Gefängnis, dessen vier Wände aus Grauen, Schrecken, Blut und Tod bestanden.
Die beiden lagen auf dem Bett.
Ein Mann und eine Frau.
Durch das schmale Fenster sickerte nur wenig Licht, weil auch hier ein Vorhang vorgezogen war, aber die Sonne stand günstig und ließ einen leichten Schleier in den Raum fallen, der auch das Bett traf, auf dem die zwei Leichen lagen, um die ich mich kümmern mußte.
Sie waren schon länger tot, und erst jetzt nahm ich den Leichengeruch wahr.
Ich holte mein Taschentuch hervor, preßte es auf die Lippen und atmete zunächst nur durch die Nase.
Ich war kein Arzt, doch als ich den Vorhang zur Seite zog und die Leichen mir in der Helligkeit anschaute, da stellte ich fest, daß sie schon länger tot sein mußten.
Mindestens einige Tage…
Wie bei Jason Travis. Das gleiche Phänomen. Mir rann etwas Kaltes, Breites über den Rücken. Ich dachte auch wieder an den Mann, der mich mit der Machete hatte töten wollen, und konnte mir plötzlich vorstellen, daß er sich in der Nähe aufhielt.
Ich drehte mich um.
Nichts war zu sehen. Der Gang lag da in völliger Stille. Das sah ich, weil ich die Tür nicht geschlossen hatte.
Die Leichen waren noch bekleidet. Es mußte sie im Schlaf erwischt haben, denn die Frau trug ein geblümtes Nachthemd und der Mann noch seinen Schlafanzug.
Verdammt, verdammt…
Ich hörte mich selbst keuchen. Ich mußte aus dem Zimmer und verließ es fluchtartig. Was zuviel war, das war zuviel, auch für einen Mann wie mich.
In der Küche kam ich zu mir. Ich hatte kaum gemerkt, daß ich mich gesetzt hatte. Ich hockte am Tisch. In Reichweite tropfte das Wasser in das Becken, und ich starrte ins Leere, wobei ich es nicht schaffte, an irgend etwas zu denken. Mein Kopf war leer, da war nichts. Diese furchtbare Entdeckung hatte mir einen Schock versetzt.
Ich strich durch mein Haar, merkte erst jetzt, welcher Geschmack sich im Mund breitgemacht hatte, stand auf und ging mit zitternden Beinen auf das Waschbecken zu.
Ich drehte den Hahn auf.
Das Wasser war kalt und frisch. Ich trank es und schleuderte es mir auch ins Gesicht.
Zwei
Weitere Kostenlose Bücher