0703 - Die Insel des Kopfjägers
Tote, bei denen die Köpfe fehlten! Verflucht noch mal, wer wütete hier? Welche menschliche Bestie tat so etwas?
Vielleicht sogar eine Frau?
Ich bekam eine Gänsehaut, als ich daran dachte. Um Himmels willen, daran wollte ich gar nicht denken, konnte es auch nicht einfach von mir weisen.
Meine Knie zitterten noch immer. Plötzlich kam ich mir vor wie ein Gefangener, den man auf einer Insel am Ende der Welt abgesetzt hatte, wo er darauf warten konnte, ermordet zu werden und wobei er seinen Mörder nicht kannte oder sah, allerdings wußte, daß sich die Bestie ebenfalls auf der Insel befand.
Wo gab es Verstecke?
Ich hatte am gestrigen Tag noch von Höhlen gesprochen. Mir war auf meinem Weg hierher keine aufgefallen.
Ich setzte mich wieder an den Holztisch und holte das schmale Sprechgerät hervor, das auch mit dem Alarmsender des Dick Travis gekoppelt war. Ihn rief ich nicht an.
Mein Partner war Suko. Ich stellte die entsprechende Frequenz ein, hörte seine Stimme, war irgendwie beruhigt.
»Okay, John, du bist gut angekommen?«
»Ja.«
Er räusperte sich. »Deine Stimme hat einen seltsamen Klang. Liegt das am Gerät oder…«
»Nein, an mir.«
»Was war los?«
Ich erzählte es ihm und konnte nicht vermeiden, daß meine Worte ab und zu stockten.
Suko war sprachlos, bestimmt auch entsetzt, und ich hörte ihn stöhnen. »Was ist da los, John?«
»Keine Ahnung. Die Leichen sind schon älter. Bestimmt liegen sie einige Tage hier. Das Blut ist eingetrocknet, es sieht aus wie Rost. Du kennst so etwas ja.«
»Und du hast keinen gesehen?«
»Richtig.«
»Auch nicht am Hafen?«
»Da war ich noch nicht. Aber er wird mein nächstes Ziel sein, darauf kannst du dich verlassen.«
»Gut, John. Die beiden müßten eigentlich unterwegs sein. Sie wollten ja am Morgen ablegen.«
»Ich warte auf sie.«
»Soll ich nicht doch kommen?«
»Nein, ich melde mich.«
»Wohl ist mir dabei nicht.«
»Wird schon schiefgehen.« Ich unterbrach die Verbindung, steckte das Gerät weg.
Plötzlich kam mir alles so verflixt sinnlos vor. Ich hatte hoch gespielt und verloren.
Aber es gab noch mehr Runden, davon war ich überzeugt. Ich würde sie einläuten und diesmal persönlich am Glockenseil ziehen, darauf konnten sich meine noch unsichtbaren Feinde gefaßt machen.
Mit leisen Schritten verließ ich das Haus. Ich kam mir vor, als wäre ich aus einer gewaltigen Gruft getreten und voll hinein in die Welt eines lichten Tages.
Der Himmel über der Insel erinnerte mich an ein helles Zeltdach. Es war einfach wunderbar, ihn so zu sehen. Beinahe wolkenlos. Was noch an Wattetupfern am Blau des Himmels hing, würde die Sonne bald weggedampft haben.
Natürlich war ich vorsichtig. Ich mußte einfach damit rechnen, daß der Mörder irgendwo lauerte und mich beobachtet hatte. Zu sehen bekam ich nichts.
Nur die Seevögel segelten über das Eiland hinweg, krächzten und kreischten.
Auf mich machte es den Eindruck, als würden sie mich regelrecht auslachen.
Ich ging zum ›Hafen‹.
***
»Gefällt es dir?«
Melanie Travis hatte die Frage gestellt und bekam zunächst keine Antwort.
Dick schaute sie an. Er hatte sie schon öfter angeschaut, aber er mußte sie immer wieder ansehen, wie sie neben ihm stand und das Ruder so lässig bediente, als hätte sie nichts anderes in ihrem achtundzwanzigjährigen Leben getan.
Konnte eine so schöne Frau eine dermaßen grausame Bestie sein? Eine Frau mit langen, naturblonden Haaren, die sie wegen des Windes hochgesteckt hatte, wobei sie von einem Tuch zusammengehalten wurden. Sie trug eine weit geschnittene blaue Leinenbluse, deren drei obersten Perlmuttknöpfe geöffnet waren und einiges von ihrer braunen Haut sehen ließ. Die Hose strahlte in einem Schneeweiß, und die Turnschuhe an ihren Füßen besaßen auf dem Weiß hellblaue Streifen.
Sie machte den Eindruck einer glücklichen Person, die das Meer liebte, aber nicht den einer Person, die andere Menschen brutal ins Jenseits befördern ließ.
Ihr Gesicht war glatt, es brauchte kaum Schminke. Da störten auch die Sommersprossen auf der gebräunten Haut nicht.
Augen mit hellblauen Pupillen konnten so strahlend blicken, doch hinter ihnen verbargen sich Dinge, die zu den Abgründen der menschlichen Seele zählten.
»Ich habe dich etwas gefragt, Schwager.«
»Und ich habe dich angeschaut.«
»Wie schon so oft.«
»Richtig.«
Melanie lächelte kokett. »Gefalle ich dir, dem großen Filmstar? Wäre ja nicht das erstemal, daß sich ein, Schwager
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