0703 - Die Insel des Kopfjägers
Zeit verstrich…
Manchmal segelten weiße Wolken wie Schiffe über ihn hinweg. Hoch oben im Blau des Firmaments hatten sie sich gebildet, und Suko konnte zusehen, wie sie an Dichte zunahmen.
Stand ein überraschender Wetterumschwung bevor?
Im Radio hatten sie so etwas Ähnliches angekündigt, aber erst für den nächsten Tag.
Er wartete weiter.
Das Klatschen der Wellen gegen die Bordwände hörte er schon nicht mehr. Ebensowenig wie das Schreien der Seevögel.
Zweimal hatte er ein Schiff am Horizont gesehen. Schmal, klein, wie ein Schattenriß.
Er wanderte hin und her, schaute hinüber zur Insel, die aus der Dünung hervorwuchs.
Träge schlichen die Sekunden dahin, und manchmal schimpfte er über sich selbst, weil er zugestimmt hatte, auf dem Meer zu warten. Er war sauer, er merkte den Druck, er wollte aber seinen Freund John nicht stören. Es konnte sein, daß er sich ausgerechnet in einem ungünstigen oder lebensbedrohenden Augenblick mit ihm in Verbindung setzte, und dann war alles zu spät.
Dennoch mußte er es tun.
Suko gab sich und John selbst eine Zeitspanne von noch genau zehn Minuten.
Träge nur bewegte sich die Zeit.
Jede Sekunde schien zu ticken. Sie war in seinem Ohr wie ein kleines Echo.
Dann war er es leid.
Er holte das Sprechgerät hervor und schoß den Ruf, durch. Verbindung mit John Sinclair.
Nichts war zu hören.
Keine Meldung, kein Rückruf. Alles blieb tot.
Es war warm an Deck, dennoch ließ es sich wegen des herrlichen Wetters aushalten, aber auf der Stirn des Inspektors erschienen plötzlich Schweißtropfen. Er machte sich Sorgen. Versuchte es noch einmal.
Wieder nichts.
Er steckte das Gerät weg, drehte sich um und ging auf das Ruderhaus zu. Ein Verdeck schützte den Steuerstand vor dem grellen Licht der Sonne.
Der Schlüssel steckte.
Eine Drehung des Schlüssels reichte aus. Die beiden Rolls Royce-Motoren röhrten auf. Es hörte sich an, als hätte ein vorsintflutliches Ungeheuer gehustet.
Suko spürte die Power, die in den Motoren steckte. Das Vibrieren erreichte auch ihn.
Er fuhr los.
Der Bug zerteilte die Wasserfläche in zwei Hälften, die als Schaumstreifen an den Bordwänden entlangglitten.
Das Boot war schwer. Es hüpfte nicht über die Wellen, es stieß in die Dünung hinein, es schaukelte und schwankte, und Wassertropfen flogen Suko wie Schaum entgegen, klatschten gegen die breite Sichtscheibe und wurden von den Wischern fortgeschleudert.
Er hielt Kurs auf die Insel. Sehr rasch kam er näher. War sie vorhin nur mehr als Schatten zu sehen gewesen, so kristallisierte sie sich nun deutlicher hervor. Sie nahm die entsprechenden Konturen an.
Suko sah die steilen Felswände, die grau wie Asche aussahen, aber in ihrem Innern helle Einschlüsse aufwiesen.
Unten am Rand verteilte sich der weiße Bart der Brandung. Er quirlte über Klippen hinweg, er drehte sich in Strudeln, er bildete gefährliche Fallen.
Suko änderte den Kurs. Sein Gesicht war hart. Die dunkle Sonnenbrille ließ ihn gefährlich aussehen.
Seine Gedanken beschäftigten sich mit John Sinclair und mit dem, was ihm hätte alles passieren können. Endlich sah er den kleinen Hafen.
Dort hatten die steilen Felsen so etwas wie ein Loch oder eine große Lücke bekommen, ein breites, offenes Karree, damit konnte die Zufahrt verglichen werden.
Es war kein natürlicher Hafen. Der Besitzer der Insel hatte ihn angelegt.
Suko hielt direkt darauf zu.
Und er sah das Boot.
Es war kleiner als das seine. Es lag auch nicht mehr im Hafen, sondern löste sich aus ihm, um der offenen See entgegenzufahren.
Wer es bewegte, konnte er nicht erkennen. Er glaubte auf keinen Fall, daß es John war.
Wieder versuchte er den Kontakt mit ihm aufzunehmen. Und abermals klappte es nicht.
Er fluchte.
Weiterfahren.
Die Angst ließ ihn mit dem Gaspedal spielen. Weshalb meldete sich sein Freund nicht? War es ihm nicht möglich? War das Gerät zerstört?
Er würde eine Antwort bekommen. Er würde sie sich holen, daran gab es nichts zu rütteln.
Suko mußte sich jetzt voll und ganz auf das andere Boot konzentrieren.
Nur dessen Fahrer konnte ihm sagen, was geschehen war.
Auch als er das Glas an die Augen setzte und das Boot näher heranholte, konnte er nicht erkennen, von wem es gesteuert wurde. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich auf der breiten Frontscheibe, wo sie Reflexe erzeugten, die aussahen, als wäre ein Riesendiamant mit wuchtigen Hammerschlägen zerstört worden.
Welches Ziel hatte das fremde Boot?
Wenn es den
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