0703 - Stunden der Angst
vorne und sammelte zwei der Maschinenpistolen auf. Eine reichte er Nicole, die andere entsicherte er.
»Das geht mir alles zu einfach«, sagte er leise. »Irgendwie habe ich den Eindruck, dass man uns bewusst in eine Falle laufen lässt.«
Zamorra nickte. Scarths Reaktion erschien ihm ebenfalls merkwürdig. Trotzdem sah er keine andere Möglichkeit, als den Plan, den sie begonnen hatten, auch zu beenden. Eine Alternative gab es nicht.
Langsam zog er Rob nach hinten, während Carsten und Nicole ihm den Rücken freihielten. Die Leibwächter blieben zurück, als sie um die Ecke des Hauses bogen und sich den Garagen näherten. In der Einfahrt stand ein schwarzer Cadillac mit geöffneter Fahrertür.
»Wo ist der Mann, der den Wagen überprüfen sollte?«, fragte Tendyke.
»Vielleicht hat Scarth ihn über Funk zurück beordert.«
»Oder er lauert hier irgendwo.« Carsten schien Nicoles Optimismus nicht zu teilen und war sichtlich überrascht, als sie den Cadillac ohne Zwischenfälle erreichten. Er warf einen Blick hinein. Der Wagen war leer.
»Alles klar«, bestätigte er und öffnete die Beifahrertür.
»Okay«, sagte Rob gedehnt. »Wenn sie uns noch angreifen wollen, dann sollten sie es jetzt tun. Der Wagen ist gepanzert.«
Zamorra behielt die Hausfassade im Blick, während er einstieg. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Scarth und seine Leute sie wirklich gehen ließen.
Nicole startete den Cadillac und ließ ihn langsam die breite Einfahrt zum Tor hinab rollen. Durch die Rückscheibe beobachtete Zamorra, wie das Haus immer kleiner wurde und schließlich zwischen den Bäumen verschwand.
Dann hatten sie auch das Tor passiert und bogen in die Landstraße ein.
Rob schüttelte den Kopf. »Ich glaub' das nicht. Scarth hat tatsächlich gekniffen. Jetzt müssen wir nur noch lebend bis nach Baton Rouge kommen.«
Nicole sah in den Rückspiegel. »Bis jetzt folgt uns niemand. Am besten halten wir uns auf den Nebenstrecken. Möglicherweise schaltet Scarth die Polizei ein.«
Rob widersprach, aber Zamorra hörte ihm nicht mehr zu. Er spürte, dass die Gefahr längst noch nicht vorbei war. Etwas stimmte nicht, doch so sehr er sich auch auf das Gefühl konzentrierte, es blieb undeutlich. Nur ein Gedanke stand ganz klar in seinem Geist:
Wir werden es nicht schaffen.
***
»Sie haben das Gelände verlassen, Sir«, sagte eine Stimme über Funk. »Wie sollen wir jetzt vorgehen?«
»Wir sammeln uns hinter dem Haus. Die Hubschrauber sind bereits unterwegs.«
Scarth schaltete sein Mikrofon ab und warf einen Blick auf den wolkenlosen Himmel. Er hatte alle notwendigen Schritte eingeleitet, wusste jedoch, dass sein Plan nur dann funktionierte, wenn Sanders sich auf der ihm zugewiesenen Position befand. Und daran zweifelte Scarth im Moment, denn noch hatte sich der Leibwächter nicht gemeldet. Nervös spielte er mit dem Handy in seiner Hand, als könne er es so dazu bewegen, endlich zu klingeln.
»Sir?«, fragte einer seiner Leute, ein unterbelichteter Schlägertyp namens Ross. »Sollten wir nicht der Firmenleitung sagen, dass Mister Seneca entführt worden ist, Sir?«
Scarth schüttelte den Kopf. »Nein, Mister Ross, wir werden sie erst informieren, wenn wir das Problem gelöst haben. Das ist eine Privatangelegenheit, die den Sicherheitsdienst des Konzerns nicht betrifft.«
Er sagte nicht, dass er vor allem Rico Calderone aus der Sache heraushalten wollte. Der Sicherheitschef hatte die unangenehme Eigenart entwickelt, immer mehr Kompetenzen an sich zu reißen. Scarth wusste, dass der ihn und seine Leute als Konkurrenz betrachtete. Wenn er erfuhr, dass Seneca trotz aller Sicherheitsvorkehrungen entführt worden war, gab ihm das nur noch mehr Auftrieb.
Ross, der den Inhalt der Aussage grob begriffen hatte, grinste. Seine Faust schlug so fest auf seine Handfläche, dass das Geräusch beinahe wie ein Schuss klang. »Ja, Sir, wir machen das unter uns. Wie damals im Corps, Sir. Muss ja kein Offizier erfahren, wer’s war, richtig, Sir?«
Scarth hatte keine Ahnung, wovon er sprach, nickte jedoch zustimmend. Das Problem mit Ross bestand darin, dass er nicht nur dumm, sondern auch ein bisschen verrückt war. Seine Kollegen hielten sich von ihm fern und sprachen nur mit ihm, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Seit Jahren hielt sich das Gerücht, dass Ross in seinem Zimmer die Schrumpfköpfe einiger ermordeter Gegner aufbewahrte und nach Dienstschluss lange Gespräche mit ihnen führte. Andere behaupteten, Ross habe ihnen
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