0704 - Vampir-Zyklopen
vorchristlich, und das konnte er natürlich nicht gutheißen.
»Was kann ich für dich tun, meine Tochter?«, fragte der Geistliche gespannt, nachdem er sich hinter dem Schreibtisch niedergelassen hatte, der vor langer Zeit für einen seiner Vorgänger angeschafft worden war.
Die Zauberin berichtete von ihrer Begegnung mit den beiden Vampiren. Wie sie den einen geköpft und den anderen vertrieben hatte.
Der Priester ließ sich Zeit mit seiner Antwort, nachdem die alte Frau wieder verstummt war.
Er konnte ihre Erzählung nicht einfach als Hirngespinst abtun. Und zwar nicht nur, weil sie Korsin war und er sie damit tödlich beleidigt hätte.
Nein, tief in seinem Inneren spürte der Geistliche auch, dass die Signadora die Wahrheit gesagt hatte.
Er legte nachdenklich die Stirn in Falten.
Nun ging er schon fast fünfzig Jahre in der Castagniccia seinem geistlichen Amt nach.
Und die ganze Zeit hatte er gehofft, dass niemals das geschehen würde, was in dieser Nacht passiert war.
Die Kräfte des Bösen waren zurückgekehrt.
Der Augenblick, auf den er sich seit einem halben Jahrhundert vorbereitet hatte, war da…
Wieder schrie ein Esel. Diesmal klang es noch viel furchtbarer. Und das Geräusch kam aus nächster Nähe.
Der Priester stand auf und öffnete die Fensterläden.
Da packte ihn eine Gestalt in einem weißen Overall an der Soutane!
***
Der Vampir hatte den Priester sozusagen kalt erwischt.
Da der Gottesmann sich nur flüchtig die Soutane übergeworfen hatte, trug er kein Kreuz um den Hals, wie es sonst seine Gewohnheit war.
Für den Augenblick stand der Priester der Blutbestie hilflos gegenüber.
Doch da griff die Signadora ein.
Die Greisin spürte inzwischen die Müdigkeit. Ihre Erschöpfung hatte es auch verhindert, dass sie die nahende Vampir-Gefahr frühzeitiger erkannt hatte.
Aber nun war die Signadora wieder voll da!
Sie hob ihren Knotenstock und kreischte dem Vampir eine uralte Verwünschung entgegen. Bevor der Blutsauger seine Zähne in den Hals des Priesters schlagen konnte, erstarrte er.
Wie Lots Weib!, dachte der Gottesmann und dachte an eine entsprechende Stelle aus der Bibel.
Die Zauberin warf ihre glänzende Schlinge. Der geheimnisvolle Faden legte sich um den Hals des Blutsaugers. Die Signadorä zog an ihrem Stock.
Der Kopf des Vampirs polterte auf den Boden des Arbeitszimmers! Der Körper erschlaffte, die Krallen öffneten sich.
Der Geistliche taumelte ein paar Schritte rückwärts und schlug das Kreuzzeichen. Durch das offen stehende Fenster erblickte er weitere Gestalten in weißen Overalls. Sie kreisten die Kirche und das Pfarrhaus ein…
»Ich verdanke dir mein Leben, meine Tochter!«, keuchte der Geistliche. »Nun wird es Zeit, mich selbst gegen diese Höllenbrut zu wappnen…«
***
Die ehemaligen Studenten von Professor Aurillac waren vor Blutdurst fast wahnsinnig.
Keiner von ihnen war in der Grotte den Doluzen entkommen. Sie alle waren von den Vampir-Zyklopen leer getrunken worden.
Und nun dürsteten sie selbst nach dem Lebenssaft der Menschen!
Taaruk hatte zunächst Denise Mercier und Lucien Manard erlaubt, die Höhle zu verlassen und sich auf die Suche nach Beute zu machen.
Natürlich hatte der König der Doluzen dabei stets seinen eigenen Vorteil im Sinn gehabt. Er wusste, dass es Menschen gab, die gefährliche Kräfte hatten. Menschen, die sich den Blutsaugern entgegenstellen würden.
Diese Feinde wurden nun von diesen blutdürstigen Narren in den lächerlichen weißen Gewändern beschäftigt.
Möglicherweise schafften es die neuen Vampire sogar, ein paar von den Weißmagiern zu töten. Falls es solche überhaupt noch gab.
Taaruk wusste nicht, wie die Welt der Menschen dort draußen aussah. Er hatte lange geschlafen. Viel zu lange. Doch nun würden er und seine Gefolgschaft schon sehr bald die Grotten verlassen…
Die ehemaligen Studenten ahnten nichts von diesen Gedanken des Königs, der sich mit ihrem Blut gestärkt hatte.
Sie funktionierten nur noch wie Automaten. Die Vampir-Rotte bewegte sich links und rechts des Forstweges, der von Noretta hinauf zu den Grotten führte.
Noretta war die letzte menschliche Ansiedlung gewesen, die sie auf dem Weg zu den Höhlen durchfahren hatten.
Dort gab es zumindest noch ein paar Menschen. Und Menschen - das bedeutete Blut…
Die Blutsauger sprachen nicht miteinander. Es war unnötig, Worte zu machen. Ihr gemeinsamer schwarzmagischer Instinkt vereinte sie nun…
Der Vollmond stand schon tief am tintenblauen
Weitere Kostenlose Bücher