0704 - Vampir-Zyklopen
Nachthimmel Korsikas.
Sie mussten sich beeilen. Jeder von ihnen spürte, wie das verfluchte Tagesgestirn schon bald herannahen würde.
Die Sonne, die mit einem einzigen Strahl jeden von ihnen in ein Häufchen Asche verwandeln konnte!
Dieses Wissen hatten sie nirgendwo lernen müssen. Durch die Bisse der Doluzen hatte jeder von ihnen den Keim eingepflanzt bekommen, um als Vampir überleben zu können.
Da erblickten sie die ersten Häuser des armseligen Dorfes!
Ein Esel schrie. Das Tier witterte die Gefahr, ängstigte sich vor dem unnatürlichen Pseudo-Leben der Untoten.
Das Grautier konnte nicht wissen, dass die Vampire nur im Notfall sein Blut trinken würden. Nur dann, wenn es absolut keine Menschen in der Nähe gab…
Die Blutsauger schlichen über die verödete Dorfstraße. Das einzige Bistro im Ort hatte schon vor zwölf Jahren aufgegeben. Knorrige Kastanienbäume wurden von unordentlichen Brombeersträuchern umwuchert.
Aber all das interessierte die Blutsauger nicht. Zielsicher steuerten sie das Gebäude an, dessen Symbolik sie am meisten hassten und fürchteten.
Die Kirchg…
Einer von ihnen, der als Mensch Gérard Pidron geheißen hatte, wagte sich besonders weit vor.
Plötzlich wurden die hölzernen Fensterläden des Pfarrhauses geöffnet. Auf diese Gelegenheit hatte Gérard nur gewartet.
Er packte den verhassten Pfaffen, der nun vor dem Hintergrund des erleuchteten Zimmers deutlich zu sehen war.
Die anderen Vampire grinsten teuflisch. Doch dann mussten sie feststellen, dass noch eine andere Gefahr in dem Haus lauerte. Jedenfalls wurde der Kopf ihres blutsaugerischen Artgenossen plötzlich von seinen Schultern gerissen!
Die Vampire begriffen, dass sie mit den Bewohnern des Pfarrhauses kurzen Prozess machen mussten…
***
Der Priester hatte sich fast ein halbes Jahrhundert auf diesen Moment vorbereitet. Zwar hatte er jeden Tag darum gebetet, dass dieser Augenblick nie eintreten würde. Doch nun war er da.
Der Geistliche öffnete die unterste Schublade seines Schreibtischs. Darin befanden sich ein Dutzend gespitzter Pfähle. Sie waren aus Eschenholz, wie es das Kreuz Christi einst gewesen war.
Außerdem bewaffnete sich der Priester mit einem schweren Silberdolch, der ebenfalls fast fünfzig Jahre auf seinen Einsatz gewartet hatte.
Nun griff er noch einige Weihwasser-Ampullen vom Regal, hängte sich ein Kreuz vor die Brust und war bereit für den Kampf gegen das Böse.
Keine Minute zu früh.
Denn nun brach ein anderer Vampir durch die Läden des zweiten, noch geschlossenen Fensters. Holz und Glas splitterte.
Die Kreatur stand mitten im Raum und bleckte die Fangzähne. Die Signadora packte ihren Knotenstock fester.
Doch da hatte der Priester seinen Silberdolch bereits geworfen!
Die weißmagische Waffe drang tief in die Brust des Blutsaugers. Sein schwarzes Herz wurde durchbohrt. Die Bestie sackte in sich zusammen und wurde augenblicklich zu Staub.
Der Geistliche war erleichtert, dass seine Waffen so gut funktionierten, wie er es gehofft hatte. Er ging auf die Überreste des Vampirs zu, um seinen Dolch wieder aufzuheben.
Da kam bereits der nächste Blutsauger hereingesprungen!
Diesmal war die Signadora vorbereitet. Während der Priester sich nach seiner Waffe bückte, ließ die Alte wieder die Schlinge aus ihrem Knotenstock schnellen.
Doch diesmal verfehlte sie den Blutsauger!
Die Bestie in dem weißen Overall riss weit das widerliche Maul auf, um die Greisin zu beißen.
Da öffnete der Gottesmann eine Weihwasser-Phiole und schüttete die Flüssigkeit auf den Vampir.
Die untote Kreatur kreischte entsetzt auf, als das Weihwasser seinen Kopf traf und sich wie Säure in sein bleiches Fleisch und durch Kochen fraß. Der Blutsauger taumelte zurück.
Der Priester gab ihm mit seinem Silberdolch den Rest.
»Wir müssen nach draußen!«, entschied der Geistliche, nachdem er wieder zu Atem gekommen war. Er war schließlich auch nicht mehr der Jüngste. »Im Pfarrhaus sitzen wir in der Falle!«
Die Signadora nickte nur. Sie stützte sich auf ihren Knüttel, als sie Richtung Tür schlurfte. So, als wäre ihr Knotenstock wirklich nur eine Gehhilfe. Und nicht eine gefährliche weißmagische Waffe.
Der Gottesmann packte seinen silbernen Dolch fester. Und dann traten der Priester und die Zauberin auf den kleinen gepflasterten Platz hinaus.
Die Vampire warteten schon. Das unrühmliche Ende ihrer Artgenossen hatte sie vorsichtiger werden lassen. Doch aufgeben wollten und konnten sie nicht. Dafür
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