0704 - Vampir-Zyklopen
genug erfahren. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt.
Zwar hatte der Dämonenjäger noch nicht mit Blut saugenden Zyklopen zu tun gehabt. Doch wenn sich deren Gewohnheiten nicht von denen anderer Vampire unterschieden, würden sie den menschlichen Eindringlingen das Blut restlos aus den Körpern gesaugt haben…
»Sie hatten wohl schon oft mit Vampiren zu tun, Professor Zamorra?«
In Denise Merciers Stimme schwang unverhohlene Bewunderung mit.
»Die Langzähne sind nicht unsere liebsten Spielkameraden, aber bisher sind wir noch mit jedem dieser Bleichgesichter fertig geworden«, erwiderte Nicole lässig.
»Ich habe den Professor gefragt und nicht seine Sekretärin, Mademoiselle Duval!«, giftete die Pariser Studentin.
Nicole zuckte mit den Schultern. Zamorra zog ärgerlich die Augenbrauen zusammen.
»Ich hätte Ihnen auch keine andere Antwort geben können! Und achten Sie bitte auf Ihre Worte. Meine Kampfgefährtin muss sich diesen Tonfall von einer Studentin nicht gefallen lassen!«
Der arme Zamorra ist dieser Schlange Duval ja schon völlig verfallen, dachte Denise Mercier gehässig, während sie sich in ihren Schmollwinkel zurückzog. Es wird Zeit, dass er mal eine richtige Frau kennen lernt…
Aurillac schien von dem Wortgeplänkel nichts mitbekommen zu haben. Zwischenmenschliche Probleme waren dem Wissenschaftler, der sich am Liebsten mit Grottenolmen und Stalagmiten beschäftigte, eher fremd. Im Grunde galt seine Sorge auch nicht seinen Studenten, sondern den Verzögerungen bei der Höhlenerforschung…
Gereiztes Schweigen breitete sich im Citroën aus. Zamorra steuerte den Wagen weiterhin bergauf. Es herrschte kaum Verkehr. Links und rechts der schmalen Straße ragten knorrige Kiefern in den Himmel.
Nicole schaute aus dem Fenster. Sie genoss den Anblick der wild wuchernden Vegetation. Hier, im Landesinneren, wirkte die Insel menschenleer. Wie ein geheimnisvolles Paradies.
Geheimnisvoll stimmt, sagte sich Nicole. Aber kein Paradies, wenn ich an diese einäugigen Vampirmonster denke…
Plötzlich stutzte sie. Zamorra bemerkte es sofort, obwohl er sich auf die Straße konzentrierte.
»Was ist los, Cherie?«
Nicole deutete auf einige graue Schemen am Straßenrand.
»Diese steinernen Krieger dort. Ich habe mich ja schon daran gewöhnt, dass sie überall auf Korsika die Wegesränder schmücken. Aber da vorne stehen gleich drei behauene Menhire.«
»Und?«
»Ich hätte schwören können, dass es vor ein paar Minuten nur zwei waren.«
»Vielleicht sollten Sie mal eine Brille tragen, Mademoiselle Duval«, zischte Denise Mercier vom Rücksitz aus. »Oder sind Sie dafür zu eitel?«
Diese Bemerkung war so dumm, dass Zamorra und Nicole sie einfach ignorierten. Stattdessen sagte der Dämonenjäger: »Wahrscheinlich eine optische Täuschung, durch den Schatten der großen Kiefer.«
»Kann sein.«
Aber Nicole Duval hatte sich nicht geirrt. Zu den zwei kriegerförmigen Menhiren hatte sich ein dritter gesellt. Und nachdem der Citroën an ihrem Standplatz vorbeigefahren war, kamen noch ein vierter und fünfter hinzu.
***
Corporal Miroslaw Djuvic keuchte vor Anstrengung. Gemeinsam mit den anderen Männern seiner Einheit kletterte er einen verdammt steilen Bergkamm hinauf.
Diese Geländeübung war die Härte, wie Djuvic fand. Die weltberühmten weißen Käppis der Fremdenlegion hatten sie für dieses Manöver mit Stahlhelmen vertauscht. Und die volle Marschausrüstung auf dem Rücken machte den Aufstieg auch nicht gerade leichter.
Aber was solls, sagte sich Djuvic. Besser über einen verdammten korsischen Hügelkamm klettern, als im Kriegsverbrecher-Knast von Den Haag auf die Verurteilung zu warten.
Djuvic war schon in den Balkankriegen Soldat gewesen. Damals hatte er grässliche Dinge getan, die später die UNO-Fahnder auf seine Spur gebracht hatten.
Irgendwie war es dem Serben gelungen, sich nach Marseille abzusetzen. Dort, in dem Vorort Aubagne, war er unter falschem Namen in die Legion aufgenommen worden.
Die Elitetruppe interessierte sich nicht für die richtigen Namen und die Vergangenheit ihrer Männer. Sie verlangte nur von ihnen, notfalls für Frankreich zu sterben.
Und dazu war Djuvic bereit. Genauso wie Achmed aus Ägypten, Torsten aus Deutschland, Nabu aus dem Sudan, Claas aus Holland, Tony aus England -und wie die anderen Namenlosen in seinem Regiment noch alle hießen.
Legio Patria Nostra, wie der Spruch am Kasernentor so treffend lautete. Die Legion ist unser Vaterland.
Djuvic
Weitere Kostenlose Bücher