0707 - Geheimbund Dunkler Gral
Worte gehört. Denn abermals flog ein Zucken über ihre Augenlider. Für einen Moment bewegten sie sich auf und zu und Sinclair konnte nicht anders, er musste einfach den Atem anhalten.
»Das ist… das ist …« Seine Hände umkrallten die Stäbe so fest, dass es ihn beinahe schmerzte.
Die Frau machte weiter.
Sie war aus Stein, aber der Stein lebte plötzlich an einer gewissen Stelle im Gesicht. Sie drückte die Lider zurück. Die Augen waren offen!
Glasklar und blau wie Seen schimmerten sie. Für Horace F. Sinclair gab es keinen Zweifel.
Diese Frau lebte!
***
Es war zwar Sommer, auch entsprechend schwülwarm, aber in diesem Teil der Ardennen hielt sich die Sonne hinter einer mächtigen, grauen Wolkendecke versteckt, und zwischen den bewaldeten Bergen drückte die Luft wie ein feuchter Schwamm.
Es hatte noch nicht geregnet, die Straßen waren trocken, aber die Feuchtigkeit war schon zu spüren, und auch ich hatte das Gefühl, als würde sie über meine bloßen Arme streifen und die winzigen Härchen dabei kitzeln.
Mir gefiel dieses Land mit seiner düsteren Romantik. Die Berge, die Wälder, die Schatten, das Wasser in den kleinen Bächen, die sich durch das Gelände schlängelten, oft flankiert von mächtigen Trauerweiden, deren Zweige sich vor dem Wasser zu verbeugen schienen und mit ihren Spitzen über die Oberfläche hinweg strichen.
Ein schwermütiges Land, in dem sicherlich viele Geschichten und Legenden lebten.
Auch ein Land mit einer starken Vergangenheit, eingekeilt zwischen den beiden mächtigen Staaten Frankreich und Deutschland.
Die Belgier sind berühmt nicht nur als Erfinder der Pommes frites, hier wurden auch hervorragende Pralinen hergestellt, und man verstand es sehr wohl gut zu essen und zu trinken.
Das war die absolute Spitze. Ich hätte gern in einem der kleinen Orte Rast gemacht und die Küche gekostet, aber uns drängte die Zeit. Wir wollten nach St. Produce.
Die Autobahn hatten wir verlassen, und die Ardennen hatten uns geschluckt. Vom Betrieb her war es nicht so einsam, wie man eigentlich hätte annehmen können, denn es herrschte reger Ferienverkehr, und nicht nur die Einheimischen waren unterwegs. Wir sahen viele Fahrzeuge mit niederländischen und deutschen Kennzeichen, die jedoch würden wahrscheinlich weniger werden, denn St. Produce lag ziemlich einsam und abseits der Touristenrouten.
»Ja, ja«, sagte Suko und streckte seine Beine aus.
»Was meinst du?«
»Wir fahren hier herum und in London, im Hyde Park singt heute der gute Pavarotti.«
»Lass ihn singen.«
»Ich hätte ihn mir gern angehört.«
»Live?«
»Nein, vor der Glotze.«
»Du hast auch nichts für die Kunst übrig«, sagte ich. »Bei so etwas muss man persönlich dabei sein.«
»Ich hätte es mir ja überlegen können.«
»In London regnet es.«
»Woher weißt du das?«
»Ich las es in der Zeitung«, gab ich grinsend zur Antwort. »Da du Schirme ja hasst, wärst du bestimmt nicht hingegangen. Bleib lieber hier, freu dich, dass es ruhig ist, wenig Menschen, viel Gegend…«
»Und die große Langeweile.«
»Das kann sich ändern.« Im Prinzip musste ich Suko zustimmen.
Bisher hatte es keine Aufregung gegeben. Wir waren in Brüssel gelandet. Der Leihwagen, ein BMW der 3er Reihe stand bereit, war voll getankt, und wir hatten uns, auf den Weg machen können.
Natürlich dachte ich immer wieder an meinen Vater und über den Grund der Entführung nach. Suko verfolgte denselben Gedanken, allerdings hatten wir darüber wenig geredet, bis mich der Inspektor plötzlich ansprach. »Erinnerst du dich noch an Millie, das Geisterkind?« [1]
»Ja – warum?«
»Es wollte den Gral und ist von Ramo und Ray geschickt worden.«
»Richtig. Was hat das mit uns heute zu tun?«
»Möglicherweise erleben wir hier eine parallele. Wenn ich die bisherigen Ergebnisse zusammenfasse, deutet dieser Fall auf die Templer hin. Und möglicherweise auf den Gral.« Ich hatte ihn begriffen.
»Du meinst also, dass mein Vater entführt wurde, damit seine Entführer an den Gral herankommen?«
»Genau.«
»Warum haben sie mir nichts gesagt? Warum haben sie sich nicht mit mir in Verbindung gesetzt?«
»Weiß ich nicht.« Ich lachte. »Das glaube ich dir nicht, Suko. Du hast doch sicherlich weiter gedacht.«
»Ich habe es versucht.«
»Dann sag es.«
»Es kann sein, dass sie persönlich mit dir in Kontakt treten wollen, um dir zu sagen, was du zu tun und zu lassen hast.«
»Aber der Gral steht in London.«
»Na und? Das ist
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