0709 - Das Seelenschwert
Grundmuster, nur sind die Umstände eben andere.«
Rico senkte den Kopf. Er schwieg, er war der Nachdenklichere der beiden jungen Männer.
Ich kümmerte mich um Tommy Li. Verbissen schaute der Halbchinese an mir vorbei. Auf seinem provisorischen Verband, der aus seinem Taschentuch bestand, zeigte sich ein dicker roter Fleck auf der Oberfläche. Das Blut hatte seinen Weg gefunden.
»Hast du mich verstanden, Tommy?«
»Ja.«
»Und?«
»Du kannst mir viel erzählen, Bulle. Ich weiß, daß du mich wieder zu meinem Alten zurückbringen willst, aber da hast du dich geschnitten. Ich werde meinen eigenen Weg gehen. Wir haben das Camp hier aufgebaut, wir wollen eine alternative Lebensform praktizieren, wir wollen den anderen Kräften nachgehen und…« Er holte tief Luft.
»Außerdem bin ich erwachsen. Ich kann tun und lassen, was ich will.«
»Auch für dich gibt es Grenzen wie für jeden von uns. Wie du mit deinem Vater zurechtkommst, ist nicht meine Sache, das geht nur dich etwas an, Tommy. Mich aber interessiert dieser Fall noch weiter. Speziell der Sarg, in dem mein Partner verschwunden ist.«
»Er muß dort liegen! Ich habe selbst gesehen, wie der Teufel mit seinem Schwert zuschlug.«
»Und wie sah der Teufel aus?«
»Keine Ahnung.«
»Spie er Rauch und Flammen? Bestand seine Fratze aus einem glühenden Dreieck?«
»So stellen ihn sich nur Kleinkinder vor«, spottete er.
Im Gegensatz zu ihm blieb ich ernst. »Du brauchst mich nicht über den Teufel aufzuklären, Tommy, denn ich kenne ihn. Ich weiß auch, daß er nicht nur in einer Gestalt auftritt, sondern schon seit Ewigkeiten ein Meister der Verkleidung ist.«
»Auch hier.«
»Wie also hat er sich gezeigt?«
Tommy Li hatte Schwierigkeiten mit der Beschreibung. Ich mußte nachhelfen und kam schließlich zu dem Ergebnis, daß der Teufel wie jemand gekleidet gewesen war, der vor ungefähr zweihundert Jahren gelebt hatte. Auf Kavalier gemacht.
»Aber die schwarze Kappe war wichtig!« flüsterte Tommy Li. »An ihr habe ich ihn erkannt. Dieser Napoleon hat eine ähnliche getragen, glaube ich.«
»Einen Dreispitz.«
»Kann sein.«
Ich wußte jetzt mehr, aber ich wußte noch immer nicht, weshalb Suko nicht tot im Sarg lag und kam deshalb wieder auf das Thema zu sprechen. Keiner konnte mir eine Antwort geben, aber wie unter Zwang schauten wir dorthin, wo die Truhe stand.
Normalerweise hätten wir sie in der Düsternis kaum erkennen können.
Der Untergrund war dunkel, sie ebenfalls. Aber wir sahen sie trotzdem, denn sie leuchtete.
Es war ein seltsames Leuchten, ein mattes Strahlen, für mich nicht erklärbar. Es ging auch nicht von der gesamten Truhe aus, sondern hielt sich im oberen Drittel, wo sich der hochgehievte Deckel befand, dessen Innenseite von einem Spiegel gebildet wurde.
»Was ist das?« fragte Tommy Li.
»Ich weiß es nicht.«
»Da gehe ich nicht hin!« flüsterte Rico, dessen Stimme ängstlich klang.
Er ging sogar zurück.
Nur ich blieb stehen und hatte plötzlich das Gefühl, als würde dieses seltsame Strahlen mehr als nur eine Botschaft sein. Etwas, das mich anlocken sollte, damit ich einen Beweis bekam.
»Ihr bleibt hier«, sagte ich zu den beiden, wartete ihre Antwort nicht ab und ging los.
Es war nicht weit, dennoch kam ich mir vor wie jemand, der einen sehr schweren Gang vor sich hat. Ich wußte, daß etwas Besonderes passieren würde, daß ich zwar nicht dicht vor der Lösung stand, daß es jedoch weiterging.
Die Truhe war das Rätsel, und dieses Rätsel mußte einfach geknackt werden.
Das Gras wuchs hoch, und es war weich wie ein Teppich. Meine Schritte waren kaum zu hören, als ich darüber hinwegging. Nur das Schleifen der Halme vernahm ich, wenn sie über meine Hosenbeine streiften.
Je näher ich kam, um so heller sah ich den Spiegel. Gleichzeitig erkannte ich, daß sich die Fläche in ihrem Innern verändert hatte. Sie wurde nicht allein von diesem Glanz eingenommen, sondern zeigte in der Mitte auch einen dunklen Ausschnitt.
Ich ging jetzt schneller. Ein innerer Motor trieb mich an. Plötzlich hatte ich es sehr eilig. Der Schweiß lag auf meinem Nacken, ich spürte ihn auch im Gesicht und an anderen Stellen des Körpers. Diese Truhe war so wichtig für mich geworden, daß es nichts anderes auf der Welt gab, das jetzt noch zählte.
Bald, bald würde ich sie erreicht haben. Dann würde sie mir ihr Geheimnis offenbaren.
Ich putzte mit der Handfläche über meine klebrige Stirn hinweg, schlug nach Mücken, die sich die
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