0709 - Das Seelenschwert
Zustand aufgefallen. »Meine Güte, Mr. Sinclair, was haben Sie denn? Sie… Sie kommen mir vor, als hätten Sie etwas Furchtbares erlebt.«
»Das stimmt.«
»Und was, bitte? Ich habe nichts gesehen. Überhaupt nichts. Es… es kann doch nicht wahr gewesen sein.«
»Ist es aber, Rico. Alles ist wahr gewesen, auch wenn es nicht so aussieht.«
»Das verstehe ich nicht«, flüsterte er. »Das ist mir einfach zu hoch. Da komme ich nicht mit.«
»Da war etwas im Spiegel!« flüsterte ich. »Das habe ich sehr genau gesehen.«
»Und was, bitte?«
»Ein Kind mit asiatischen Gesichtszügen. So hätte auch mein Freund Suko als Kind aussehen können.«
Rico gab keine Antwort. Er hatte bestimmt nichts begriffen und verstanden. Dann wiederholte er mit leiser Stimme. »Ein Kind?«
»Ja.«
»Aber wie ist das möglich, daß ein Kind sich innerhalb des Spiegels zeigt?«
Ja, wie war das möglich? Es gab keine rationale Erklärung, nur eine magische oder eine teuflische. Letzteres schien mir besser zu passen.
Was immer hier abgelaufen war, der Teufel hatte stets seine Hand mit im Spiel. Und hier hatte er mir bewiesen, daß er noch voll dabei war. Er machte mit, er mischte die Karten, er war der große Regisseur und Bankhalter und würde dies auch bleiben, wenn es mir nicht gelang, ihm einen Riegel vorzuschieben.
Ich vergegenwärtigte mir noch einmal, waß gesagt worden war. Der Teufel hatte Suko in den Sarg hineingelegt, er hatte dann mit seinem Schwert zugeschlagen, und eigentlich hätte mein Freund tot in seinem Blut dort liegen müssen.
Das war nicht der Fall.
Es gab ihn nicht mehr.
Er war weg.
Und er war als Kind zurückgekommen!
Ich schlug gegen meine Stirn, lauschte dem Klatschen nach, das meine flache Hand hinterließ. Es war ein irrsinniger Kreis, den ich leider nicht durchbrechen konnte.
Obwohl ich frei war, fühlte ich mich wie ein Gefangener. Überall zerrte und drückte es. Ich bekam kaum Luft, hinter der Stirn merkte ich das Hämmern, und mein Magen zog sich zusammen, als wäre er mit Essigsäure gefüllt worden.
Meine Gedanken drehten sich um das Schwert, mit dem der Teufel zugeschlagen hatte. Den Zeugenaussagen nach zu urteilen, war es eine völlig normale Waffe gewesen, doch das wiederum wollte ich nicht mehr glauben. Sie hatte zwar normal ausgesehen, aber das war sie nicht gewesen. Es mußte ein besonderes Schwert sein.
Ich hatte es auch nie an ihm gesehen, aber was kannte ich schon über ihn und die Hölle?
Nichts, gar nichts.
Es fiel mir nicht leicht, auf die Füße zu kommen. Als ich endlich stand, war ich doch ziemlich wacklig auf den Beinen, was nicht an meiner körperlichen Erschöpfung lag, sondern mehr an dem seelischen Durcheinander, das mich gepackt hielt.
Ich beugte mich nach vorn. Mit beiden Händen stützte ich mich am Rand der Truhe ab. Sie war nicht nur ein idealer Sarg, man konnte sie sogar als eine besondere Totenkiste ansehen. Meiner Ansicht nach mußte sie uralt sein und ein Relikt aus dem Umkreis des Teufels. Er hatte sie an sich gerissen, er hatte sie mitgenommen, er hatte sie…
Meine Gedanken bildeten ein zu großes Durcheinander, als daß ich klar und logisch alles hätte nachvollziehen können. Aber was war in diesem Fall schon logisch?
Gar nichts, überhaupt nichts. Alles lief verkehrt. Man hatte mich fertiggemacht. Man hatte mich gelinkt, reingelegt, einfach geleimt. Man hatte mich…
Die Angst und die Trauer um Suko überwogen. Ich durfte mich jetzt nicht verrückt machen lassen, ich mußte normal bleiben, ich konnte mich nicht in Depressionen hineinsinken lassen, sondern mußte mich den Problemen stellen.
Die Gegenwart war wichtig. Und hierbei ganz besonders die Tatsache, daß Asmodis sich meines Freundes auf seine Art und Weise angenommen hatte.
Ich ging auf einmal davon aus, daß Suko noch lebte. Ja, er war nicht tot, nicht vernichtet, er war nur verschwunden. Der Satan hatte es geschafft, ihm eine andere Gestalt zu geben. Durch Magie war mein Freund zurück in das Alter eines gerade schulpflichtigen Kindes hineingeführt worden, und das konnte durchaus schlimmer sein als der Tod.
Das war Schicksal. Und genau dieses Schicksal war eng mit der Existenz der Truhe verbunden.
Für mich stand längst fest, daß ich sie nicht in dieser Einsamkeit stehenlassen würde. Ich wollte dafür sorgen, daß sie weggeschafft und zum Yard gebracht wurde. Ich wollte sie in meiner Nähe haben, ich mußte sie untersuchen, möglicherweise war dieser Spiegel auch ein
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