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0709 - Märchenfluch

0709 - Märchenfluch

Titel: 0709 - Märchenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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verwehren.
    Dann verschob er mit fliegenden Fingern einige der Hieroglyphen auf dem äußeren Band und schob das Amulett noch etwas näher auf die Tote zu.
    Kontakt!
    Neben Zamorra sog Herrick vernehmlich die Luft ein. »Komisch…«, meinte er. »Riechen Sie das auch?«
    Ja, der Duft, der plötzlich anstelle des ohnehin nur ganz vagen Verwesungsgeruchs getreten war, entging auch Zamorra nicht. Er erkannte ihn als ein Gemisch aus Zimt und Sandelholz, zerbrach sich aber noch nicht den Kopf darüber, was dieser Geruch zu bedeuten haben mochte. Jetzt musste er sich erst einmal auf das Beobachten und Sammeln der Fakten konzentrieren.
    Irgendetwas geschah mit dem toten Mädchen.
    Es veränderte sich. Es…
    Zamorra begriff, was passierte. Sofort unterbrach er den Kontakt zwischen dem Amulett und der Toten. Doch der Prozess, einmal in Gang gesetzt, ließ sich nicht mehr aufhalten.
    Die Haut des Mädchens nahm eine schmutziggraue Färbung an, wurde seltsam körnig und weich.
    Die Tote zerfiel. Löste sich auf…!
    Ganz zutreffend schien Zamorra jedoch weder das eine noch das andere.
    Haut, darunter liegendes Gewebe, Fleisch, Knochen, alles verwandelte sich in eine zähflüssige Masse. Die Konturen der Toten verschwanden, ihr Körper schien unter dem Tuch zu schmelzen, sackte in sich zusammen, wurde zu einem lang hingestreckten Etwas aus breiiger Substanz. Und die Geruchsmischung aus Sandelholz und Zimt stach Zamorra jetzt geradezu in die Nase.
    Neben ihm stieß Sheriff Herrick keuchend den Atem aus. Er rang um Worte, brachte aber nur abgehackte Silben hervor. Sein Blick hing wie festgenagelt an der Toten, die es eigentlich gar nicht mehr gab.
    »Was…«, presste er schließlich hervor.
    »Verdammt! Was haben Sie mit ihr gemacht? Ich wette, Sie haben da irgendwie dran gedreht! Los, zeigen Sie mir Ihre Hände. Sofort!«
    Zamorra seufzte innerlich auf. Die Stunde der Wahrheit hatte geschlagen. »Hören Sie, Sheriff…«, begann er und streckte die Faust mit dem Amulett vor. Noch hielt er es verdeckt.
    Dann drehte er die Hand um und öffnete die Finger, um Herrick das Amulett zu zeigen und zu erklären, was es damit auf sich hatte.
    Doch dazu kam es nicht.
    Denn als Zamorra die offene Handflache hinhielt - war sie leer!
    Er hatte alle Mühe, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen - und die Sorge, die sich ihm wie eine klamme Hand ums Herz legte und zudrückte!
    Das Verschwinden des Amuletts konnte nur einen Grund haben. Nicole Duval hatte Merlins Stern zu sich gerufen Und das wiederum würde sie nur aus einem Grund tun. Wenn ihr Gefahr drohte…!
    Zamorra hatte es auf einmal sehr, sehr eilig, nach Fly Creek zurückzukehren.
    ***
    Vergangenheit
    März/April 1926
    All die Mühe - und alles umsonst!
    Dass seine selbstverfassten Horror-Storys, die er hoffnungsvoll an die Redaktion des Kurzgeschichtenmagazins Weird Tales geschickt hatte, abgelehnt werden könnten, diese Möglichkeit hatte Amory Stagg überhaupt nicht in Betracht gezogen. In seinem jugendlichen Eifer hatte er sie für mindestens genauso gut gehalten wie die jener Autoren, die fast regelmäßig in dem Heft veröffentlicht wurden. Er verschlang ihre Werke förmlich. Vor allem von den Erzählungen H. P. Lovecrafts konnte er nicht genug kriegen. Dieser Mann war für Amory ein Genie, auch wenn - oder wohl gerade weil - er ihm mit seinen Geschichten bisweilen eine Heidenangst einjagte!
    Zu diesem illustren Kreis zu gehören, jemand zu sein, dessen Storys im ganzen Land gelesen wurden, das war Amory Staggs Traum, seit er vor über einem Jahr das erste Weird Tales gelesen hatte. Fast augenblicklich hatte er angefangen, sich selbst »seltsame Geschichten« auszudenken. Und binnen kurzer Zeit war es eine erkleckliche Anzahl entsetzlich gruseliger und in jeder Hinsicht fantastischer Geschichten, die ihm im Kopf herumspukten. Er musste sie nur noch niederschreiben.
    Dem stand allerdings ein Hindernis -in Gestalt seines Vaters, des ehrenwerten Reverend Stagg, im Wege.
    Für Amory war es schon ein kleines Kunststück, das Weird Tales ungestraft zu schmökern. »Ungestraft« bedeutete, es so zu lesen, dass sein Vater es nicht merkte.
    Wäre der Reverend der Church of the Brethren dahinter gekommen, dass sein Sohn derlei »Teufelszeug« verfallen war, wäre Amory tagelang nicht von den Knien hochgekommen. Sein Vater hätte ihn um Vergebung beten lassen, bis ihm Zunge und Lippen fransig geworden wären.
    Zum Glück aber gab es Bertie Snodgrass.
    Bertie - eigentlich

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