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071 - Gefangen in den Bleikammern

071 - Gefangen in den Bleikammern

Titel: 071 - Gefangen in den Bleikammern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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wieder beruhigt. Mein Mißtrauen war jedoch nicht erloschen. Ich ahnte, daß Selva das Haus verlassen würde.
    Ich ging in mein Zimmer, stellte mich ans Fenster und beugte mich weit vor. Von meinem Zimmer aus hatte ich einen guten Blick auf die Haustür. Einige hellerleuchtete Gondeln kamen vorüber, und einsame Spaziergänger waren zu sehen.
    Mehr als zwei Stunden mußte ich warten. Eine Gondel legte vor unserem Haus an. Sie war nicht erleuchtet. Ich sah einen hochgewachsenen Mann, konnte ihn aber nicht erkennen. Mein Herz schlug schneller, als die Haustür geöffnet wurde. Selva trat heraus und blickte sich um. Sie trug einen bodenlangen, schwarzen Mantel; die Kapuze hatte sie tief ins Gesicht gezogen. Der Mann in der Gondel winkte ihr zu.
    Ich hatte genug gesehen. Blitzschnell griff ich nach einem Dolch, steckte ihn in den Gürtel und rannte die Stufen hinunter. Im Haus war es ruhig. Ich riß die Haustür auf und sprang auf den Kai, duckte mich und verschmolz mit der Dunkelheit.
    Undeutlich sah ich Selva, die sich mit dem Mann in der Gondel unterhielt. Er löste die Gondel und stieß ab. Der Mann wandte sich nach rechts und fuhr in einen schmalen Seitenkanal.
    Ich folgte ihm. Die Verfolgung bereitete mir keinerlei Schwierigkeiten.
    Nach einigen Minuten legte die Gondel an. Vorsichtig schlich ich näher. Ich hörte Selvas Stimme, dann die eines Mannes. Die beiden sprachen leise miteinander. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagten.
    Nach zehn Schritten drückte ich mich gegen eine Hauswand und richtete mich auf. Ich hielt den Atem an, als Selva ihre Arme um den Mann schlang. Meine Vermutung hatte sich bewahrheitet. Selva hatte einen Liebhaber. Sie traf sich heimlich mit ihm.
    Ich preßte wütend die Zähne zusammen und griff nach dem Dolch. Ich zuckte aber zusammen, als ich ein gurgelndes Geräusch hörte. Selva klammerte sich an den Fremden, dann ließ sie ihn plötzlich los. Er riß die Arme hoch und sackte zusammen. Ich hörte das Aufklatschen des Körpers auf dem Wasser, dann war es still.
    Ich glaubte, Selva schluchzen zu hören. Sie stieg aus der Gondel und blieb stehen. Der Mond war hinter einer Wolkenbank hervorgekommen. Für einen Augenblick sah ich ihr Gesicht. Es war verzerrt, die Lippen hochgezogen, die Augen flackerten.
    Ich trat einen Schritt vorwärts.
    „Selva", sagte ich leise.
    Sie stürmte auf mich zu und schlang ihre Arme um meinen Hals. Selva zitterte am ganzen Leib. So hatte ich sie noch nie gesehen. Sie hatte Angst, entsetzliche Angst, und klammerte sich an mich.
    „Was ist, Selva?" fragte ich. „Rasch!" sagte sie. „Bring mich in den Palazzo zurück!"
    „Wer war der Mann, mit dem du dich unterhalten hast?"
    „Später", sagte sie. „Ich erzähle dir alles, sobald wir zu Hause sind."
    Ich legte einen Arm um ihre Schultern. Nach wenigen Minuten betraten wir das Haus meines Vaters. Sie legte einen Finger auf den Mund, und ich verstand sofort. Leise schlichen wir in den ersten Stock und betraten mein Zimmer. Ich schloß die Tür und wandte mich Selva zu, die langsam die Kapuze zurückschob. Sie schüttelte leicht den Kopf und warf ihr langes Haar über die Schultern.
    Ich zündete eine Kerze an.
    „Was hat das alles zu bedeuten?" fragte ich.
    „Du mußt mir vertrauen, Michele", sagte sie heftig. „Wir beide sind in großer Gefahr. Jemand haßt uns abgrundtief. Er trachtet uns nach dem Leben."
    Ich sah sie verwirrt an. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wer mich töten sollte; ich hatte keine Feinde.
    „Irrst du dich nicht?" fragte ich vorsichtig.
    „Nein", stieß sie hervor. „Ich irre mich nicht."
    Ihre Augen, flackerten wieder. Sie kam mir plötzlich wie eine Verrückte vor. Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück. Sie jagte mir Angst ein.
    „Der Mann in der Gondel", sagte ich stockend, „wer war er?" Ich strich mir mit der Zunge über die Lippen, dann räusperte ich mich. „War er dein Liebhaber?"
    „Nein", sagte sie und kam auf mich zu. „Es war ein Bote. Er brachte mir eine Nachricht. Eine wichtige Botschaft."
    „Du hast ihn umarmt", sagte ich trotzig. „Ich habe es ganz genau gesehen. Und er fiel in den Kanal. Hast du ihn hineingestoßen?"
    „Du hast dich getäuscht, Michele", meinte Selva. Sie blieb vor mir stehen und legte beide Hände auf meine Schultern. „Der Bote warnte mich. Wir flüsterten miteinander, deshalb steckten wir die Köpfe ganz nahe zusammen. Und er fiel nicht in den Kanal. Er duckte sich nur."
    Ich sah Selva mißtrauisch an. Ihre Worte

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