0711 - Die Nacht der Wölfe
mehrere Täter? Der Gefangene nickt.«
»Sind Sie homosexuell? Der Gefangene schüttelt den Kopf.«
Miguel bemerkte, dass Brooke manche Fragen bereits zwei oder drei Mal gestellt hatte. Anscheinend wartete er darauf, einer Lüge auf die Spur zu kommen.
»Haben Sie eine Erklärung dafür, dass die Spurensicherung Rückstände von Linda McDermonds Blut an Ihrer Kleidung gefunden hat?«
Miguel zuckte zusammen. Er sah Brooke an, der seinen Blick aus wasserblauen Augen ruhig und beinahe mitleidig erwiderte.
»Haben Sie eine Erklärung? Der Gefangene nickt.«
Nervös sprang Miguel auf und sah sich suchend in seiner Zelle um. Er dachte an das Blut, das aus den Pferdekadavern im Boden versickert war und daran, wie unwahrscheinlich es war, dass sich etwas davon mit dem Blut von Linda McDermond vermischt und seinen Weg bis auf sein Hemd gefunden hatte.
Aber das war die einzige Erklärung, die er hatte.
Miguel öffnete den Wasserkran des Waschbeckens, hielt seine Finger in den lauwarmen Strahl und zeigte auf seinen Kopf.
»Das Blut ist auf Sie getropft? Der Gefangene nickt. Wo waren Sie, als das Blut auf Sie tropfte?«
Miguel hockte sich auf den Boden und imitierte die Bewegung, mit der er die Luke geschlossen hatte.
»Sie befanden sich in Ihrem Versteck im Stall? Der Gefangene nickt.«
Brooke ließ das Mikrofon sinken und hockte sich auf der anderen Seite der Gitterstäbe ebenfalls auf den Boden.
»Der Recorder ist ausgeschaltet«, sagte er. »Niemand außer dir hört, was ich jetzt sage. Verstehst du das?«
Miguel nickte. Ein Muskel begann unter seinem rechten Auge zu zucken. Er war sicher, dass er dadurch noch schuldiger aussah.
Brooke lehnte sich gegen die Wand. »Ich habe eben mit Albuquerque telefoniert. Meine Kollegen glauben, dass du vor zwei Tagen Linda McDermond, ihre beiden Söhne und deinen Kollegen umgebracht hast. Vermutlich hast du sie mit einem Spaten oder einer Spitzhacke erschlagen. Dann hast du sie irgendwo auf der Ranch verscharrt. Die Rache hat dir aber noch nicht gereicht, deshalb bist du mit deiner Spitzhacke in den Stall und hast die Pferde abgeschlachtet. Irgendwann ist dir klar geworden, dass man das alles entdecken wird, lange bevor du das Land verlassen hast. Und da bist du auf die Idee gekommen, dich in Pferdeblut zu suhlen und dein Glück als einziger Zeuge zu versuchen.«
Miguel war längst aufgesprungen und schüttelte immer wieder den Kopf.
Brooke sah ihn mit seinem traurigen Blick an.
»Ich bin gegen die Todesstrafe«, sagte er, »vor allem wenn sie jemanden wie dich treffen soll, jemanden, der kein Mörder ist.«
Gott sei Dank, dachte Miguel. Er glaubt nicht, dass ich es war.
»Du bist kein Mörder«, fuhr Brooke fort. »Du hast diese Tat nicht geplant. Sie ist einfach über dich gekommen wie ein Wahn und als du wieder klar denken konntest, war deine Kleidung voller Blut und vor dir auf dem Boden lag eine Spitzhacke. Der Staatsanwalt wird das ebenso sehen. Vermutlich wirst du den Rest deines Lebens im Gefängnis verbringen, aber du wirst wenigstens leben.«
Er stand auf. »Aber damit das passiert, musst du kooperieren und mir sagen, wo die Leichen sind, okay?«
Miguel schloss die Augen und legte die Stirn gegen die kühlen Gitterstäbe. In diesem Moment wollte er alles zugeben, wollte sogar sein Leben unschuldig im Gefängnis verbringen, nur um diesen Albtraum aus ständig neuen Beschuldigungen und Verhören zu entgehen. Aber das konnte er nicht.
Brooke schaltete den MD-Recorder wieder an. »Mister Viadas, wissen Sie, wo sich die Leichen der vier Opfer befinden?«
Miguel zögerte einen Moment, dann schüttelte er mit geschlossenen Augen den Kopf.
»Der Gefangene schüttelt den Kopf. Das Verhör wird beendet. Es ist achtzehn Uhr und zwölf Minuten«, kommentierte Brooke. Er klang enttäuscht. Es raschelte, als er den Recorder einsteckte, dann hörte Miguel, wie er die Tür zum Zellentrakt öffnete und stehen blieb.
»Morgen früh bringe ich dich ins Bezirksgefängnis von Lincoln. Dort wirst du offiziell wegen Mordes angeklagt. Danach kann ich nichts mehr für dich tun, also denke gut darüber nach, welche Antwort du mir morgen früh auf meine Frage geben wirst.«
Die Tür wurde geschlossen.
Miguel ließ sich an den Gitterstäben zu Boden sinken und wartete auf die nächste Phase seines ganz persönlichen Albtraums.
***
Zamorra stand in der Küche der Mc-Dermond-Ranch und bemühte sich, flach zu atmen. Da in den letzten zwei Tagen nicht gelüftet worden war, hing
Weitere Kostenlose Bücher