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0711 - Die Nacht der Wölfe

0711 - Die Nacht der Wölfe

Titel: 0711 - Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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zurück.
    »Kuang-shi ist erwacht«, sagte er, ohne auf ihren Vorwurf einzugehen. »Ich kann es spüren. Nun muss ich herausfinden, was er als nächstes tun wird, was seine Ziele sind.«
    »Und die Antworten auf Fragen über die Zukunft suchst du in Schriften aus der Vergangenheit?«
    Sie zeigte auf die Bücher und Schriftrollen, die sich neben dem Schreibtisch stapelten. Fu Long hatte sie über Jahrzehnte hinweg gesammelt und studiert, aber die alten Sprachen waren schwierig, und vieles erschloss sich ihm erst nach wiederholtem Lesen.
    »Es gibt so viel, das ich nicht verstehe«, gestand er. »Als wir in Kanada waren, sah ich, wie sich Zamorra mit Hilfe des Hong Shi, des roten Steines, vom Keim der Tulis-Yon befreite. Dabei sagen die Schriften, dass nur ein Vampir den Hong Shi verwenden kann.«
    Er griff nach einer Schriftrolle und breitete sie aus. »Die Prophezeiung erwähnt den Träger des Hong Shi. Ich dachte, ich sei damit gemeint, aber vielleicht geht es in Wirklichkeit um Zamorra.«
    Jin Meis Hand legte sich auf seine Schulter. »Du bist besessen von dieser Prophezeiung, Geliebter. Vielleicht ist sie der schlimmste Fluch deines Lebens und nicht das Geschenk, das du darin siehst.«
    »Ich habe sie nie als Geschenk betrachtet«, sagte Fu Long und ergriff ihre Hand. »Sie verhöhnt mich mit ihren Andeutungen und Metaphern. Seit gestern suche ich nach einer Erwähnung des Angriffs in New Mexico, aber wenn das wirklich die Tulis-Yon waren, dann ist er entweder nicht von Bedeutung oder so gut verborgen, dass ich ihn nicht finden kann.«
    »Warum gehst du nicht einfach nach New Mexico und findest heraus, ob die Tulis-Yon die Verantwortung tragen?«
    Fu Long seufzte. »Weil ich sicher bin, dass Zamorra bereits dort ist, und er wird viele Fragen stellen, auf die ich nicht antworten kann oder nicht antworten will.«
    Er drehte die Schriftrollen wieder zusammen und stand auf. Jin Mei hatte Recht, soviel war klar. Die alten Schriften waren für ihn zur Besessenheit geworden. Vor fast zwei Monaten hatte er die Farm in Last Chance gekauft - einem kleinen Ort, dessen Name ihm symbolisch erschien - und sich fast sofort in seinem neuen Arbeitszimmer verkrochen. Er hatte noch nicht einmal seinen Besitz erkundet. Erst von Jin Mei hatte er erfahren, dass im Ort das Gerücht entstanden war, er sei ein chinesischer Guru, der sich mit seinen Liebessklaven in die Einsamkeit der Prärie zurückgezogen hatte.
    Das störte ihn nicht. In seinem langen Leben hatte man ihn schon für vieles gehalten. Und nicht alles hatte eine so vergleichsweise harmlose Bedeutung.
    »Lass uns nach unten gehen«, sagte er. »Wenn die Sonne untergegangen ist, werde ich euch in die Nacht begleiten.«
    Er konnte sehen, dass sich Jin Mei über seine Entscheidung freute, aber als er sie aus dem Zimmer begleitete, kreisten seine Gedanken bereits wieder um Kuang-shi und die Frage, weshalb jener die Tulis-Yon nach New Mexico geschickt hatte.
    ***
    Miguel Viadas wunderte sich nicht, als Special Agent Brooke ohne den Experten für Gebärdensprachen vor seiner Zelle auftauchte. Er sah NYPD Blue regelmäßig im TV und kannte die Tricks der Polizisten. Es überraschte ihn nur, dass Sheriff Yellowfeather nicht mitgekommen war. Hatte er vielleicht seine Aussage doch nicht richtig verstanden? Oder glaubte er etwa, eine Lüge gehört zu haben?
    »Mister Viadas«, sagte Brooke, der einen kleinen MD-Recorder in der Hand hielt, in sein Mikrofon. »Verstehen Sie meine Sprache?«
    Miguel nickte.
    »Der Gefangene nickt«, bestätigte Brooke für die Aufzeichnung und begann sein Verhör. Er gab sich Mühe, seine Fragen so zu formulieren, dass Miguel jede mit einem Nicken oder Kopfschütteln beantworten konnte. Er erkundigte sich nach seinem Werdegang, nach dem Leben auf der Ranch, seinem Verhältnis zu Frank und den McDermonds und kommentierte jede stumme Antwort mit einem entsprechenden Satz in das Mikrofon.
    Anfangs hoffte Miguel noch, zu den Wolfsmenschen befragt zu werden, aber mit jeder Minute, die verfing, schwand diese Hoffnung. Der Sheriff hatte ihm wohl doch nicht geglaubt.
    Das Verhör begann Miguel zu ermüden. Seit über einer Stunde lauschte er bereits Brookes langgezogenem Monolog.
    »Haben Sie die Täter gesehen? Der Gefangene nickt.«
    »War Linda McDermond eine gute Chefin? Der Gefangene nickt.«
    »War es nur ein Täter? Der Gefangene schüttelt den Kopf.«
    »Gingen Franks Weibergeschichten Ihnen manchmal auf die Nerven? Der Gefangene nickt.«
    »Waren es

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