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0711 - Die Nacht der Wölfe

0711 - Die Nacht der Wölfe

Titel: 0711 - Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Schwanken und Holpern des Pick-ups und hatte Zeit, über Nicoles Frage nachzudenken. Ein so öffentliches Vorgehen passte wirklich nicht zu den Tulis-Yon, einem Volk, das lange Zeit in der Abgeschiedenheit Nordkanadas gelebt hatte, ohne aufzufallen. Sie galten als vorsichtig, aber was sie hier in den letzten zwei Tagen gezeigt hatten, erinnerte eher an einen Amoklauf.
    Das ergibt keinen Sinn , dachte Zamorra, außer…
    Sein Blick fiel auf die Stadt, deren wenige Lichter er in der Ferne erkennen konnte. Was, wenn sie die ganze Ortschaft auslöschen wollten?
    Der Gedanke erschien ihm im ersten Moment lächerlich, doch dann rief er sich die Karte der Umgebung ins Gedächtnis.
    Dusty Heaven lag einsam und war von Canyons und Bergen umgeben. Es gab nur eine Straße, die den Ort mit der Außenwelt verband, und sie führte genau dort lang, wo sie dem Tulis-Yon begegnet waren.
    Riegelten sie die Stadt bereits ab?
    Aber wie wollten sie verhindern, dass die Einwohner mit der Außenwelt Verbindung aufnahmen? Selbst, wenn sie die Strom- und Telefonleitungen kappten, gab es garantiert genügend Menschen mit Handys.
    Ein Klopfen aus der Fahrerkabine riss ihn aus seinen Gedanken. Yellowfeather hatte den Arm aus dem Fenster gestreckt und zeigte aufgeregt nach links.
    Zamorra drehte den Kopf und fluchte, als er zuerst einen und dann zwei rötliche Verfärbungen am Horizont bemerkte.
    Irgendwo dort hinten brannten Farmen.
    Der Amoklauf ging weiter.
    ***
    Agkar von den Tulis-Yon presste seine Stirn gegen die Steine. Seit Stunden verharrte er in dieser Stellung und wartete darauf, dass sein Herr seine Dienste benötigte. Er kannte keine Ungeduld und keinen Ehrgeiz.
    Im Angesicht Kuang-shis zu knien, war alles, was er je erhofft hatte, auch wenn er dessen Taten nicht immer verstand. Nach dem triumphalen Sieg über die Vampirfamilien von Kalifornien hatte Agkar mit einem weiteren Feldzug gerechnet, hatte erwartet, dass Kuang-shi seine Feinde zerschmettern und sich selbst zum Herrscher von Kalifornien ernennen würde.
    Doch das hatte er nicht getan. Stattdessen war er mit den Tulis-Yon zu einer Höhle weit draußen am Strand gezogen, wo es nach Fisch und Öl stank und die Feuchtigkeit die Kleidung schimmeln ließ. Dort lebten sie seit zwei Monaten.
    Aus Treibholz und Steinen hatte Agkar seinem Herrn zumindest einen Thron gebaut, damit er seine Audienzen in Würde halten konnte. Es erfüllte ihn mit Stolz, dass Kuang-shi sich jeden Tag darauf setzte. Trotzdem verstand er nicht, weshalb er es vorzog, in Armut zu leben.
    »Ist er da?«, sagte Kuang-shis seltsam dunkle Stimme schließlich.
    »Ja, Herr. Man hat ihn gesehen.«
    »Hat er es getan?«
    »Nein, Herr, noch nicht.«
    Kuang-shi schwieg. Die einzigen Geräusche Wären das Rascheln seiner Roben und das sanfte Rauschen des Meeres.
    »Herr?«, sagte Agkar nach einem Moment. Er war nervös, aber er befürchtete, wenn er jetzt nicht seinen Mut zusammennahm, würde er Kuang-shi nie die Frage stellen, die ihn bewegte.
    »Du möchtest mich etwas fragen?«
    »Ja, Herr.«
    »Du willst wissen, weshalb wir in dieser Höhle sind, wo wir doch in Palästen leben könnten.«
    »Es ist Eurer nicht würdig, Herr.«
    Die Roben raschelten, und Agkar spürte zu seiner Überraschung Kuang-shis Hand auf seinem kahlen Schädel. Die langen Krallen reichten ihm bis in den Nacken.
    »Ein dummer Mann fängt einen kleinen Fisch und isst ihn. Ein kluger Mann fischt damit nach einem großen Fisch.«
    »Dann ist Kalifornien nur ein Köder, Herr?«
    Kuang-shis Hand verschwand von seinem Kopf.
    »Ein Köder, der Missgunst und Krieg bringen wird.«
    Agkar lächelte, dankbar darüber, dass Kuang-shi seine Gedanken mit ihm teilte. »Und am Ende dieses Krieges werdet Ihr die geschwächten Gewinner hinwegfegen und Euch zum Herrn dieses Kontinents aufschwingen.«
    »Nein«, sagte Kuang-shi. »Am Ende des Krieges habe ich nur einen Köder gegen einen zweiten ausgetauscht. Ich habe viel Zeit, und ich werde nichts überhasten. Verstehst du jetzt, warum ich im Nichts lebe?«
    Agkar zitterte vor plötzlicher Aufregung.
    »Weil Ihr alles wollt, Herr?«
    Die Roben raschelten, aber Kuang-shi sagte nichts mehr in dieser Nacht.
    ***
    Brooke legte die Tageszeitung zur Seite und sah auf die Uhr. Yellowfeather schien sich zu verspäten, was ihn nicht überraschte. Seit seiner Ankunft in Dusty Heaven zeigte der Sheriff eine Unzuverlässigkeit und Gleichgültigkeit, wie Brooke sie nur selten bei einem Staatsbeamten erlebt hatte. Er war

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