0711 - Die Nacht der Wölfe
verlöschten, drehten sich die Tulis-Yon zu dem dunklen Fleck mitten in der Prärie. Sie wussten, was sie zu tun hatten, erinnerten sich an den Befehl, den sie flüsternd erhalten hatten, besser als an ihr gesamtes vergangenes Leben. Sie spürten, wo die anderen ihrer Art waren, auch ohne sie zu sehen. Wie ein sorgsam choreographiertes Ballett kamen sie zusammen und bildeten die Form, die man von ihnen erwartete.
Dann blieben sie stehen.
Vierzig von ihnen hatten sich um die Stadt verteilt. Schweigend standen sie in der Dunkelheit und warteten auf die nächsten Befehle.
Von seiner Position hoch oben auf dem Strommast beobachtete Chang die Tulis-Yon wie ein General, der vor Beginn einer Schlacht die Truppen mustert.
Alles war bereit.
Die Stadt war von der Außenwelt abgeriegelt. Langsam merkten die Bewohner vermutlich, dass etwas nicht stimmte, aber es war bereits zu spät. Das Netz zog sich immer weiter zusammen.
Chang kletterte geschickt über die Metallstreben nach unten und überwand die letzten fünf Meter mit einem Sprung. Von jetzt an war die Kommunikation sein größtes Problem. Die Tulis-Yon mussten gleichzeitig in die Stadt vorrücken, damit keine Lücken im Netz entstanden. Zähneknirschend gestand er sich ein, dass er einen Teil seiner Befehlsgewalt wohl delegieren musste, um den Überblick zu behalten.
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Das Glas war gesprungen und blutig, aber die Zeit ließ sich noch gut erkennen.
20:05
Neun Stunden bis Sonnenaufgang, dem Zeitpunkt, den er sich als letzten Termin gesetzt hatte. Danach war es zu gefährlich, den Angriff fortzusetzen, denn bei den Zerstörungen, die sie hinterließen, würde man selbst aus einem Flugzeug darauf aufmerksam werden.
Er hatte die Anweisung seines Herrn, unauffällig zu bleiben, nicht vergessen, nur neu interpretiert. In neun Stunden sollte von Dusty Heaven, New Mexico, nicht mehr als eine verbrannte Fläche mitten in der Prärie übrig sein.
Und niemand würde je erfahren, was geschehen war.
Im Laufschritt bewegte sich Chang auf die Stadt zu. Die beiden Lichter, die hinter einem Hügel über die Weiden strichen, entgingen ihm.
***
»Scheiße!«, fluchte Zamorra, als die Lichter der Stadt erloschen. Der Feuerschein der dahinter liegenden Farmen war deutlich zu sehen. Er zählte sieben orangerote Flecke in der Dunkelheit.
Es stimmt also tatsächlich , dachte er schockiert. Sie wollen alle töten.
Der Pick-up wurde langsamer und kam zum Stehen. Nicole und Yellowfeather sprangen fast gleichzeitig aus der Fahrerkabine.
»Ich weiß nicht, ob es so eine gute Idee ist, in die Stadt zu fahren«, sagte seine Gefährtin. »Wir sind nur zu zweit und da draußen könnten fünfzig Tulis-Yon lauern. Vielleicht -«
»Wir sind zu dritt«, unterbrach sie Yellowfeather verärgert, »und ich werde meine Stadt nicht im Stich lassen!«
Zamorra hob beruhigend die Hände. »Niemand hat vor, die Stadt im Stich zu lassen, aber wir helfen niemandem, wenn wir blindlings in eine Falle laufen. Wir müssen vorsichtig sein.«
Nicole nickte. »Was schlägst du vor?«
»Wir fahren weiter, bis wir Probleme bekommen. Dann entscheiden wir, was wir tun.«
Der Plan klang in seinen eigenen Ohren nicht sonderlich intelligent. Nicole hob nur die Augenbrauen, machte aber keinen Gegenvorschlag. Anscheinend fiel auch ihr keine bessere Alternative ein.
Yellowfeather griff nach der Fahrertür, und schob seinen Hut in den Nacken. Er schien gleichzeitig erleichtert und nervös über die Fortsetzung der Fahrt zu sein.
»Es sind Pläne wie dieser«, murmelte er, während er wieder einstieg, »die mein Volk ins Reservat gebracht haben.«
Mit einem Ruck fuhr der Pick-up an. Zamorra grinste unwillkürlich über die Bemerkung des Sheriffs. Für jemanden, der zum ersten Mal mit einem übersinnlichen Phänomen konfrontiert wurde, reagierte er erstaunlich gelassen. Der Dämonenjäger hoffte, dass es auch dabei blieb.
Im nächsten Moment weiteten sich seine Augen. Die Scheinwerfer rissen eine Gestalt aus der Dunkelheit. Zamorra sah gelbe Augen und einen nackten Frauenkörper. Er richtete den Blaster auf sie, wollte abdrücken, aber der Truck machte plötzlich einen Schlenker, raste genau auf die Tulis-Yon zu.
Yellowfeather wollte sie überfahren.
Zamorra hielt sich mühsam fest, als der Wagen beschleunigte und die Straße verließ. Die Tulis-Yon blieb ruhig stehen und sah ihm entgegen. Ein blassroter Strahl schoss aus der Fahrerkabine, bohrte sich in ihren Kopf.
Dann
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