0711 - Die Nacht der Wölfe
sicher, dass Yellowfeather in dieser Stadt mehr durchgehen ließ als nur ein paar illegale Einwanderer. Es roch förmlich nach Korruption. Sobald er zurück in Albuquerque war, würde er eine Dienstaufsichtsbeschwerde veranlassen.
Brooke lockerte den Knoten seiner Krawatte und dachte sehnsüchtig an sein eigenes, klimatisiertes Büro. Obwohl die Temperatur draußen seit Sonnenuntergang drastisch gesunken war, war es immer noch heiß und stickig. Jetzt verstand Brooke auch Yellowfeathers Bemerkung, den Gefangenen ginge es in Dusty Heaven besser als den Polizisten, denn der steinerne Anbau, in dem die Zellen lagen, war wesentlich kühler.
Angewidert zupfte Brooke an seinem Hemd, das schweißnass am Rücken klebte, und griff nach seinem Handy Wie jeden Abend um zwanzig Uhr stand der tägliche Anruf zuhause an. Seit einigen Jahren hatte sich diese Routine bei Außeneinsätzen zwischen ihm und seiner Frau eingespielt, und er hatte die Anrufe nur selten verpasst.
So wie heute, dachte er, als er die Anzeige auf dem Display las.
No Service
Brooke fluchte. Lag dieses Kuhkaff denn so weit von jeder Zivilisation entfernt, dass man hier noch nicht einmal Handy-Empfang hatte? Er dachte darüber nach, ob er seit seiner Ankunft angerufen worden war, aber die einzigen Gespräche hatte er aus seinem Hotel in Lincoln geführt, in das er jeden Abend zurückkehrte. Die Stadt lag zwar dreißig Meilen entfernt, doch nach einem Blick auf die Zimmer, die in Dusty Heaven vermietet wurden, erschien ihm die tägliche Fahrt als das geringere Übel.
»Keine Klimaanlage«, murmelte er verdrossen, »kein Mobilempfang, kein Kabelfernsehen - was für ein Drecksnest.«
Brooke stand auf und widerstand der Versuchung, nach Miguel im Zellenblock zu sehen. Bis morgen früh, wenn die Verlegung ins Bezirksgefängnis anstand, sollte der keinen Menschen sehen. Das musste er auch Yellowfeather noch einmal klar machen.
Er trat ans Fenster und sah hinaus auf die leere Straße. Die Budweiser-Lichtreklame an der Bar gegenüber flackerte in unregelmäßigen Abständen. Ein alter Ford stand auf dem Parkstreifen davor, sonst war kein Auto zu sehen.
Seltsam, dachte Brooke. An einem Freitagabend erwachte normalerweise auch die verschlafenste Kleinstadt. Freitags wurden die Lohntüten verteilt, und gerade auf dem Land hatten die Empfänger es meist sehr eilig, das Geld in der nächsten Bar in Alkohol umzutauschen.
Brooke öffnete die Tür und blieb stehen. Ein leichter Wind war aufgekommen und trocknete den Schweiß auf seiner Stirn. Es roch ein wenig nach Rauch, so als ob in einem der Häuser ein Kaminfeuer brannte.
»N'Abend, Agent Brooke«, sagte eine Stimme von der anderen Straßenseite. »Kann ich Sie auf ein Bier einladen?«
Im Licht der Straßenlampen erkannte er Hank, den Wirt der Bar und Vermieter der Räumlichkeiten, die er euphemistisch als Gästezimmer bezeichnete.
»Nein, danke«, antwortete Brooke steif. »Ich bin noch im Dienst.«
Nach dem heißen Tag klang ein Bier durchaus verlockend, aber eine Einladung konnte und wollte er nicht annehmen.
»Sie sind schlecht fürs Geschäft, Agent«, fuhr Hank fort, als habe er die Antwort nicht gehört. »Sonst ist hier Freitags viel los, aber die Leute haben wohl Angst, sie würden den Führerschein loswerden, wenn sie nach ein paar Gläsern nach Hause wollen.«
»Ich bin sicher, der Sheriff kümmert sich ebenso sorgfältig um Ihre Gäste.«
Hank lachte. »Ja, Sir. Normalerweise geht er übers Wochenende jagen, damit er nicht sehen muss, was sich hier abspielt…«
Er brach ab, begriff wohl, dass er etwas unpassendes gesagt hatte. »Sehen Sie, ich achte schon darauf, dass hier keiner besoffen nach Hause fährt. Der Sheriff ist ein guter Mann, sehr korrekt, aber er weiß eben auch, wann er ein Auge zudrücken kann.«
Zum Beispiel, wenn er einen illegalen Einwanderer deckt, der dann vier Menschen umbringt, dachte Brooke, sagte jedoch nichts. Die Bewohner von Dusty Heaven würden aus den Nachrichten erfahren, wer aus ihrer Mitte für den Mord verantwortlich war.
»Wissen Sie«, sagte Hank, dem die Stille unangenehm zu sein schien, »dass sein richtiger Name Washington Hawk With A Tail Of Yellow Feathers ist? Passt nur in keinen Ausweis, deshalb haben die Behörden ihn in Washington Yellowfeather umbenannt. Sein Vater hat versucht, dagegen zu klagen, wurde aber abgewiesen.«
»Tatsächlich?«, antwortete Brooke abwesend.
Im gleichen Moment gingen die Lichter aus.
Als die Lichter der Stadt
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