0716 - Der Flammen-Friedhof
Mein Freund sprang noch zurück, wollte seine Waffe ziehen, als er bereits in eine Mündung schaute.
Es war sein Fehler, dass er nicht schneller gewesen war.
Der Fahrer hatte sich auf der Ladefläche versteckt. Auf dem Kopf trug er eine Strickmütze. Seine schwarze Jacke war weit geschnitten.
Sie sah aus, als wäre sie von innen mit Luft voll gepumpt worden.
Bill bewegte sich nicht. Den Kopf hatte er nach hinten gedrückt, da die kalte Mündung sein Kinn berührte.
Ich stand in guter Deckung. Da sich der Kerl nicht rührte, war mir klar, dass er mich noch nicht entdeckt hatte. Er konnte sich nur auf Bill konzentrieren.
Das sah gar nicht schlecht aus. Ich wartete ab.
Der Druck der Mündung verstärkte sich. Bill verstand das Zeichen und ging etwas zurück. Der andere folgte ihm, die Mündung blieb am Kinn meines Freundes haften.
Da der Wagen in einer kleinen Lücke am Waldrand geparkt stand, hatten beide genügend Bewegungsfreiheit. Der Mann mit der Waffe dirigierte Bill dann nach links, wo der Reporter schließlich vom Stamm einer Buche gestoppt wurde.
Der andere ging zurück. Die Waffe blieb auf Bill gerichtet. Er wurde auch angesprochen. »Manchmal ist es nicht gut, wenn man zu viel herumschnüffelt.«
»Das habe ich gemerkt. Aber es ist mein Job.«
»Wie bei Mr. Sensation.«
»Genau.«
»Und der lebt nicht mehr.«
»Ich weiß. Wir waren Zeugen.«
Der andere lachte. »Dann weißt du ja, was dir bevorsteht. Wir werden dich mit Feuer füllen und zurück zu deinen Freunden schicken. Du wirst dort im wahrsten Sinne des Wortes eine Hölle entfachen, das kann ich dir schwören, Schnüffler.«
»Ich mag das Feuer nicht besonders.«
»Kann ich mir denken. Ich weiß allerdings nicht, ob ich dir nicht eine schnelle Kugel geben soll. Ich denke sogar, dass es besser ist. Wir können uns keine Experimente erlauben.«
»Dann ist Lilian Taylor auch dabei?«
Die Antwort klang erstaunt. »Natürlich. Was hast du denn gedacht? Es ist halt so, dass…«
»… sie gewinnt, nicht? Sie will Kohle machen. Sie steckt hinter den heißen Sanierungen.«
»Gut geraten.«
»Das war nur die logische Konsequenz, wenn man sich näher mit dem Fall beschäftigt. Hoffentlich denkt sie im Nachhinein auch an dich, Meister, und lässt dich nicht als Asche zurück.«
»Keine Sorge, wir verstehen uns.«
»Wobei beim Geld dann meistens der Spaß aufhört, finde ich.«
»Nicht bei uns. Wir sind durch Dick und Dünn und gemeinsam durch eine Hölle gegangen, das schweißt zusammen.«
Ich hörte zu, ich fand die Unterhaltung sehr interessant, aber ich vergaß auch nicht, mich entsprechend vorzubereiten. Ich hatte mich vorsichtig bewegt und einen anderen, günstigeren Platz gefunden.
Direkt hinter dem Rücken des Knaben hielt ich mich auf. Er konnte mich nicht sehen, dafür jedoch Bill, und der spielte mit. Er lenkte den Mützenträger ab, was ungemein wichtig war.
»Du kannst dir vorstellen, dass ich nicht unbewaffnet gekommen bin. Wir könnten es ja ausschießen, gehen dafür auf den Friedhof und machen es wie im Wilden Westen.«
»Bist du verrückt?«
»Nein.«
»So ein Quatsch kann nur einem Schreiber einfallen.«
»Und wer bist du? Ich habe es immer gern, wenn ich meinen Mörder vorher kenne.«
»Ich heiße Bob Frenzel.«
»Aha.«
Ich war näher an Frenzel herangekommen. Zwei Schritte trennten mich noch von ihm. Längst hielt ich die Beretta fest. Ich wollte ihm natürlich keine Kugel in den Rücken schießen, es gab noch andere Methoden, um ihn zu packen. Leider beging ich einen kleinen Fehler, indem ich mich zu stark auf den Rücken des anderen konzentrierte und dabei den Untergrund vergaß.
Ausgerechnet dort befand sich ein trockener Zweig, den ich mit meinem Gewicht belastete. Das Knacken war für Frenzel ein Alarmsignal. Er fuhr herum.
Ich ließ ihn nicht zum Schuss kommen. Mein Vorteil lag darin, dass er die Waffenhand vorstreckte, und zwar so, dass sie sich genau in der Schlagrichtung befand.
Mit einer irren Wucht hämmerte der Lauf auf sein rechtes Handgelenk. Er drückte auch nicht in einem Reflex ab. Frenzel sah plötzlich aus, als wäre er von einem Band bis auf die Zehenspitzen gezogen worden. Sein Mund hatte sich geöffnet.
Wenn es den Begriff stummer Schrei gab, dann hätte er hier voll und ganz gepasst.
Die Waffe lag vor seinen Füßen. Ich kickte sie Bill zu, während ich Frenzel die Mündung der Beretta entgegenhielt und ihm zuzischte, nur keinen Laut von sich zu geben, falls er noch etwas länger
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