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0718 - Das Dorf der Toten

0718 - Das Dorf der Toten

Titel: 0718 - Das Dorf der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle und Timothy Stahl
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Zweige.
    Und dann nichts mehr.
    Wie ein Spuk war der Junge aufgetaucht, und wie ein ebensolcher war er auch verschwunden.
    »Mein Gott!«, flüsterte Nicole in die Nacht, Atemwölkchen vor den Lippen, »diese Augen…«
    Zamorra nickte nur. Seine Hand hatte er vor der Brust unter Jacke und Hemd geschoben. Seine Finger berührten Merlins Stern , der dort an der Halskette hing, verschoben einige der erhaben gearbeiteten Hieroglyphen darauf, riefen damit verschiedene Funktionen des Amuletts ab.
    »Und?«, fragte Nicole nach einer Weile, in der Zamorra schweigend die Hand am Amulett hatte und die Augen stur dorthin gerichtet hielt, wo der Junge ihren Blicken entschwunden war.
    »Nichts«, sagte er, ließ Merlins Stern los und erhob sich aus der Hocke.
    Das Amulett, das der weise Merlin dereinst aus der Kraft einer entarteten Sonne geschaffen hatte, war ›stumm‹ geblieben. Es hatte weder auf die Präsenz dieses Jungen reagiert, noch war ihm eine nachträgliche Reaktion zu entlocken gewesen.
    Doch das bewies oder widerlegte nichts. Nach all den Jahren barg der 7. Stern von Myrrian-ey-Llyrana immer noch Rätsel für Zamorra. Er, der Meister des Übersinnlichen, hatte noch längst nicht alle Möglichkeiten und Geheimnisse dieser silbernen Scheibe ausgelotet, die weit mehr war als nur eine Wunderwaffe.
    Zamorras Überzeugung, dass mit dem Jungen etwas nicht gestimmt hatte, blieb vom ›Schweigen‹ des Amuletts unberührt. Denn ein Mensch mit solchen Augen konnte - um es milde auszudrücken - unmöglich normal sein!
    Augen mit Iris wie… aus flüssigem Marmor.
    Und Pupillen wie schlammige Tümpel über aufgewühltem Grund, tiefgrau und trüb von Schwaden.
    Augen, die schlimmer als blind schienen und offenbar doch sahen.
    Ein Anblick, der in Zamorra etwas wie Fieber weckte.
    Ein Mysterium, dem er auf den Grund gehen wollte. Nicht erst morgen, nein, heute noch!
    »Komm«, sagte er zu Nicole. »Lass uns weiterfahren. Ich will in Elkhart ein paar Leuten in die Augen sehen…«
    Das Gefühl, dass die Zeit drängte, war unangenehm intensiv.
    Dass es insgeheim ein ganz anderes Gefühl sein mochte, zwang sich Zamorra zu leugnen…
    Das Gefühl, dass sie aller Eile zum Trotz ohnedies zu spät kommen würden…
    Zu spät für Lance Farnsworth jedenfalls…
    ***
    »Hier liegt hoffentlich nur der sprichwörtliche Hund begraben«, murmelte Nicole, als die Scheinwerfer des Winnebago eine Holzfassade entlangleckten.
    »Hast du ein Ortsschild gesehen?«, fragte Zamorra, der das Wohnmobil stoppte. Der Motor tuckerte im Leerlauf weiter. Draußen war es diesig. Es sah aus, als würde sich das Licht durch Dampf fressen. Das Wetter war binnen kurzer Zeit úmgeschlagen, die Temperatur weit in den Plusbereich geschossen. Nichts für Kreislaufkranke nach der Kälte der Vortage. Aber wenn alle Bewohner Elkharts so »gesund« waren wie der Junge, würde die Witterung kein Problem für sie darstellen.
    »No«, erwiderte Nicole, die Füße -schuhlos - gegen die Windschutzscheibe gestemmt. »Ob wir hier ein richtiges Bett zum Reinkuscheln finden könnten?«, seufzte sie, den Blick auf die trostlose Ansammlung von Häusern gerichtet, die das Scheinwerferlicht enthüllte. »Was treibt Menschen bloß dazu, in einer solchen Einöde Wurzeln zu schlagen?«
    »Fragen wir sie doch«, lächelte Zamorra und setzte das Fahrzeug wieder in Bewegung.
    Sie rollten in den Ort ein.
    Wie von der Kellnerin berichtet, gab es nirgends einen Hinweis darauf, dass das 21. Jahrhundert bereits Einzug in diese abgeschiedene menschliche Ansiedlung gehalten hatte.
    Nicht einmal das zwanzigste…
    »Keine Stromversorgung«, kommentierte Zamorra. »Ich schätze mal, auch keine Heizung, kein…«
    »Kein gar nichts«, vollendete Nicole. »Du hast recht. Dagegen ist das Leben in dieser Sardinenbüchse hier wahrscheinlich Luxus pur.«
    Zamorra wollte etwas erwidern. Doch in diesem Moment erreichte er bereits die mutmaßliche Mitte des kleinen Ortes.
    Und dort stand etwas, was seine Aufmerksamkeit auf Anhieb fesselte und alles andere mit einem nachgerade brutalen Stoß in den Hintergrund seines Denkens drängte.
    »Wow!«, entwich es Nicoles Mund. »Was ist denn…?«
    Auch sie verstummte. Irritation malte sich auf ihr Gesicht. Dann nacktes Entsetzen!
    Und sie hauchte: »Raffael…?«
    Zamorra riss sich gewaltsam von dem los, was er sah, und starrte seine Gefährtin an, als zweifele er an ihrem Verstand.
    »Raffael?«, echote er.
    Auf Anhieb fiel ihm dazu nur eine Person ein.
    Raffael

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