0719 - Myxins Henker
durch Motorenantrieb hin- und herbewegt werden konnten.
»Sind Sie zum erstenmal in einem Studio?« fragte mich Eisner.
»Nein, das nicht. Ich schaue mich nur um. Ist wohl Polizistenart, sich die Umgebung genau anzusehen.«
»Rechnen Sie denn mit einer Gefahr von oben?«
Ich hob die Schultern. »Da müssen Sie mich etwas Leichteres fragen, Mr. Eisner. Eigentlich rechne ich immer mit einer Gefahr. Woher die nun kommt, nun, da möchte ich mich überraschen lassen.«
Ich schaute auf die Uhr. Es war noch eine Stunde Zeit bis zum Beginn. »Wahrscheinlich störe ich hier nur, Mr. Eisner. Ich werde in die Kantine gehen und kurz vor der Sendung meinen Platz einnehmen. Ist Ihnen das recht?«
»Bitte.«
»Okay, viel Glück«, sagte ich und klopfte ihm auf die Schulter.
Er lächelte nur. Es war nicht echt, sondern verkrampft. Kein Wunder, ich hätte ebenso reagiert. Und wenn ich ehrlich gegen mich selbst war, fühlte auch ich mich nicht gerade super…
***
Zehn Minuten vor Beginn der Sendung hatte ich meinen Platz wieder eingenommen und das Gefühl, daß sich einiges in dem Studio verändert hatte.
Von der Dekoration her war zwar alles gleichgeblieben, doch die Stimmung hatte gewechselt. Die Menschen waren aufgeregter, gespannter, eben die typische Atmosphäre vor einer Lifesendung.
Ich saß schräg zum Pult, konnte es gut überblicken. Robert T. Eisner stand bereits davor und blätterte in seinen Unterlagen. Er hörte erst auf, als eine Maskenbildnerin erschien, ihn noch einmal abtupfte und mit dem Kamm über sein Haar strich.
Der Regisseur redete mit den Kameraleuten, schaute selbst in den kleinen Monitor an der Kamera, war zufrieden, was sein Nicken andeutete, und ging zu Eisner.
Was die beiden besprachen, bekam ich nicht mit. Es drehte sich sicherlich um die Sendung.
Für mich war es zwar langweilig, doch ich fügte mich in mein Schicksal. Außerdem ließ ich Eisner nie aus den Augen. Äußerlich gab sich der Mann schon bewundernswert ruhig. Wie es allerdings in seinem Inneren aussah, das war eine andere Sache.
Noch drei Minuten.
Der Regisseur klopfte Eisner auf die Schulter und verließ ihn. Jetzt war Robert T. Eisner allein.
Einsam zudem, nur beobachtet von den Augen der Kameras. Alles was hinter und neben ihnen lag, verschwamm in einer geisterhaften Atmosphäre.
Wie immer, wenn man auf ein bestimmtes Ereignis wartet, vergeht die Zeit quälend langsam. Das war auch hier der Fall. Ich schaute öfter als gewöhnlich auf meine alte Uhr, verfolgte den Lauf des Sekundenzeigers, dann erklang eine geisterhafte Stimme, die den Moderator darauf aufmerksam machte, daß er noch zehn Sekunden Zeit hatte.
»Ist gut, bei mir ist alles klar.«
»Viel Glück.«
Ich konnte auf die drei aufgestellten Monitore schauen. Dort lief das Programm ab. Eine Ansagerin lächelte und sagte einige Worte.
Kameraschwenk, dann wurde der Vorspann eingespielt, eine rasche Folge wechselnder Bilder von allen Brennpunkten auf dieser Welt. Signalrot leuchtete eine Schrift.
Ein letztes Mal zupfte Eisner an seiner Krawatte, Sekunden später stand er im Rampenlicht.
»Guten Abend…«
Es folgte die übliche Moderation zur Einleitung, bevor er auf das Thema der Sendung zu sprechen kam.
Ich beobachtete ihn am Pult, schaute auch hin und wieder zum Monitor und behielt diesen raschen Blickwechsel in der Zukunft bei.
Es war eine Sendung wie jede andere. Mir fiel kein Unterschied auf. Eisner hatte ich öfter gesehen.
Es wurde erst interessanter, als man den ersten Beitrag einspielte.
Bilder aus dem Gebiet der Kurden im Irak.
Schreckliche Aufnahmen, sehr aktuell und direkt. Ich schaute nicht hin, sondern beobachtete Eisner, der nach seinem Glas griff und das Wasser trank.
Tat er das immer? War er nervöser als sonst? Wieder erschien die Maskenbildnerin und tupfte sein Gesicht ab. Auf mich machte Eisner einen fahrigen Eindruck.
Als die Maskenbildnerin zurückging, nahm sie einen anderen Weg. Sie mußte dicht an mir vorbei.
Ich hielt sie an und wollte von ihr wissen, ob sie Eisner zwischendurch immer nachschminken und abtupfen mußte.
»Nein, so gut wie kaum. Nur heute eben. Er scheint mir ziemlich nervös zu sein.«
Sie ließ mich sitzen.
Der Beitrag lief noch immer. Er war auf die Dauer von sechs Minuten angelegt. Robert T. Eisner blätterte derweil in seinen Unterlagen, machte sich noch eine Notiz und steckte den Kugelschreiber mit einer sehr müden Bewegung wieder weg.
Ob das immer bei ihm der Fall war? Ich konnte nicht daran
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