0719 - Myxins Henker
glauben und wäre am liebsten zu ihm gelaufen, dazu allerdings fehlte mir die Zeit, denn der Bericht näherte sich dem Ende. Aus dem Hintergrund bekam der Moderator bereits ein Zeichen.
Er nickte müde.
Dann der Wechsel. Die Kamera holte ihn wieder ins Bild. Sogar sehr groß, sein Gesicht füllte den Schirm aus. Ich konnte es besser sehen, wenn ich mich auf die Fläche des Monitors konzentrierte.
Mir fiel seine Unruhe auf. Der Blick vor allen Dingen ließ mich stutzig werden. Er wirkte ängstlich, unstet, konzentrationslos. Seine Bewegungen waren auch fahrig. Die ersten Worte brachte er nur mühsam hervor. Auch wenn er nachgeschminkt worden war, so konnte die Schminke den Schweiß nicht aufhalten, der aus seinen Poren drang.
Da lief einiges verkehrt.
Ich kam mir vor wie unter Strom stehend. Ich wußte, daß die andere Macht dabei war, die Gewalt über Eisner zu bekommen. Wie lange konnte er ihr trotzen?
Noch war es zu schaffen, noch riß er sich zusammen, moderierte, mußte allerdings manche Sätze wiederholen und sie dabei richtigstellen. Er klammerte sich förmlich an seinem Pult fest. Es hätte mich nicht gewundert, wenn seine Beine plötzlich nachgegeben hätten und er hingefallen wäre.
Es lag etwas in der Luft.
Sekunden nur, dann würde es passieren, denn Eisners Schwäche nahm leider zu.
Seine Moderation verwandelte sich in ein Gestammel. Natürlich war dies längst den hinter den Kameras stehenden Personen aufgefallen. Sie sprachen über die Sendung. Ich hörte ihre flüsternden Stimmen, die zischten wie Schlangen.
Das nahm ich nur am Rande wahr. Es war wichtiger für mich, Eisner zu beobachten.
Er hielt sich noch.
Aber seine Haltung hatte sich verändert. Er hatte die Arme vorgeschoben und seine Hände um den Rand des Pults geklammert, als könnte er nur so sein Gleichgewicht halten.
Auf einmal schwankte er.
Seine Augen wurden verdreht, er redete noch, aber über die Lippen drangen nur lallende Laute.
Dabei drang ihm der Schweiß in wahren Strömen aus den Poren.
»Abschalten!« rief jemand aus dem Hintergrund. »Der Mann ist doch am Ende.«
Sie schalteten nicht ab. Noch immer sah ich ihn auf dem Monitor. Sehr dicht vor mir. Sein Gesicht war eine Maske der Qual. Die Augen verdreht, weit aufgerissen, als würden sie jeden Augenblick zerfetzt werden.
Er würgte.
Ich stand auf.
Noch immer hielt ich den Blick auf die Mattscheibe gerichtet. Und da sah ich das Schreckliche.
Es dauerte nur wenige Sekunden, mir aber kam die Zeit verflucht lang vor.
Eisner riß seinen Mund noch weiter auf. Gleichzeitig durchschoß ein heftiger Ruck seine Gestalt. Er sah so aus, als wollte er sich über das Pult hinwegschleudern.
Das Ding wackelte, was ich nur am Rande mitbekam. Etwas anderes war wichtiger.
Wie ein breiter Strom schoß die Flüssigkeit aus seinem Mund. Hellrot und gelb. Als wären Blut und eine andere Masse miteinander vermischt. Das Zeug klatschte auf die Pultschräge, rann daran herunter, dann kippten Eisner und das Pult um.
»Ausschalten!«
Der Monitor wurde dunkel.
Ich jagte in die Höhe.
Wie ein Irrer sprang ich über die vor mir stehenden Bänke und raste auf Eisner zu.
Er und das Pult waren gefallen. Beide lagen auf der Seite. Eisner war von dieser Masse bedeckt, und das Pult hatte einige Spritzer abbekommen.
Ich drehte ihn auf den Rücken.
Starre Augen, kein Herzschlag, kein Zucken der Halsschlagader. Robert T. Eisner war tot…
***
Ich saß neben ihm wie eine Puppe, machte mir Vorwürfe, daß ich nicht eingegriffen hatte und merkte nicht, daß auch andere Menschen einen Halbkreis um mich gebildet hatten.
Jemand schrie mit gellender Stimme nach einem Arzt. Auf dem Monitor war das Zeichen für die Störung eingeblendet. Mehrere Telefone schrillten zugleich, doch in der unmittelbaren Nähe des Toten herrschte eine Grabesstille.
Ich richtete mich auf.
Der Produktionsleiter stand ebenfalls in meiner Nähe. Er hieß Robson. Sein sonnenbraunes Gesicht war fahl geworden. Angst flackerte in seinen Augen.
So laut, daß es jeder hören konnte, sagte ich zu Robson: »Robert T. Eisner ist tot. Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen.«
Schweigen, Entsetzen, Stille.
Dann rief eine Frau. »Vielleicht haben Sie sich geirrt. Sie sind doch kein Arzt.«
Auf meinem Körper lag eine Gänsehaut. Sehr langsam schüttelte ich den Kopf. »Ich glaube nicht, daß ich mich geirrt habe. Schon zu oft stand ich vor Problemen wie diesen.«
Robson wandte sich ab. »Er war doch gesund«, flüsterte
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